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Archiv-Artikel

Warten auf ein Wort Obamas

USA Syrische Amerikaner demonstrieren vor dem Weißen Haus für eine härtere Politik der Regierung gegenüber dem Regime in Damaskus. Einen Militärangriff lehnen sie ab

Festnahmen in Homs

■ In der syrischen Protesthochburg Homs sind nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten am Samstag zahlreiche Menschen festgenommen worden. Unter ihnen seien auch mehrere Frauen gewesen, sagte der Chef der syrischen Menschenrechtsliga, Abdel Karim Rihawi. Zudem seien wieder Schüsse zu hören gewesen. Auch der Leiter der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London, Rami Abdel Rahman, sprach von einer „Verhaftungskampagne in Homs, die vor allem Frauen traf“. Am Freitag hatten erneut Hunderttausende gegen das Regime von Baschar al-Assad demonstriert. Wie Menschenrechtsgruppen berichteten, habe es in allen Teilen des Landes Protestkundgebungen gegeben. Sicherheitskräfte hätten in der Nacht und im Laufe des Tages elf Menschen erschossen. (afp, rtr)

AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN

Die Frau schreibt ihren Namen in das Notizbuch der Reporterin. Quer über ihren Busen steht: „Free Syria“. Sie spricht von dem „Diktator und Mörder in Damaskus“. Und davon, dass er „mehr Menschen auf dem Gewissen hat, als der Ägypter Mubarak und der Libyer Gaddafi zusammen“. Einen Moment später kommt sie zurück. Nimmt der Reporterin den Block aus der Hand. Und streicht ihren Namen wieder durch. „Ich habe eine 78-jährige Mutter, die sich weigert, Syrien zu verlassen“, sagt sie. „Was könnte ich tun, wenn sie ihr Haus demolieren?“

Mehrere tausend amerikanische Syrer haben sich an diesem Samstagnachmittag in dem Park vor dem Weißen Haus versammelt. Sie sind aus allen Teilen der USA angereist. Unter ihnen sind Akademiker, Büroangestellte und Putzfrauen. Ein Mann verteilt Wasserflaschen. Eine Frau gibt nasse Tücher aus, die man auf den Kopf legen kann. Es sind 37 Grad Celsius. Die Menge drängelt sich auf den schattigen Flecken unter den Bäumen. In der prallen Sonne, auf dem Podium, eröffnet ein Redner die Kundgebung: „Lasst uns die rechte Hand aufs Herz legen“, sagt er, „zur Ehre unserer zweiten Heimat. Die US-amerikanische Hymne läuft vom Band. Als anschließend die syrische Hymne ertönt, singt die Menge mit.

In den ersten Wochen der Proteste in Syrien haben sich die syrischen Amerikaner noch vor der Botschaft ihres Landes im Stadtteil Kalorama versammelt. Weil die syrische Botschaft die Demonstranten fotografierte und die Bilder nach Damaskus weitergab, hat sich das State Department eingeschaltet. Der in Syrien lebender Bruder eines Demonstranten in Washington soll nach einer solchen Demonstration ermordet worden sein. In jenem scheinbar weit zurückliegenden Frühsommer organisierte Botschafter Imad Moustapha noch Fundraisings für den syrischen Präsidenten in den USA. Inzwischen ist der Botschafter in einen langen Urlaub abgetaucht. In einer Mitteilung an seine Landsleute in den USA schreibt er auf der Homepage der Botschaft von „Frieden und Demokratie“ in Syrien.

15 Wochen nach Beginn der Proteste und nachdem es mindestens 1.600 Tote und Tausende Verschwundene gibt, demonstrieren die syrischen Amerikaner jetzt vor dem Weißen Haus. Sie sind zahlreicher geworden. Und entschlossener. US-Außenministerin Hillary Clinton hat Baschar al-Assad zum Rücktritt aufgefordert. Der US-Botschafter in Damaskus ist zusammen mit seinem französischen Kollegen als Beobachter zu einer Demonstration nach Hama gefahren. Aber das reicht den syrischen Amerikanern nicht mehr. „Ich möchte, dass Präsident Obama das Regime eindeutig verurteilt“, sagt die Politikstudentin Alla Basatnee aus Chicago. Sie wurde vor 19 Jahren in Damaskus geboren. Als in Syrien die Proteste begannen, ist sie der Jugendorganisation „Join the future“ beigetreten. An diesem Wochenende ist sie 15 Stunden in einem Bus mit anderen Demonstranten nach Washington gekommen.

„Seit Kinder erschossen werden, habe ich keine Angst mehr“

IZAKI LABADI, KARDIOLOGE

Hinter den Kulissen sind die USA längst auf Distanz zum Regime in Syrien gegangen, davon ist Radwan Ziadeh überzeugt. Der 36-Jährige war aktiv im Damaszener Frühling und Direktor des Zentrums für Menschenrechte. 2007 musste er fliehen. Seither lehrt er an verschiedenen US-Universitäten. In den letzten Wochen hat er Gespräche mit Mitgliedern der US-Regierung geführt. „Wir erwarten mehr Leadership von den USA“, sagt er ihnen, „eine Resolution im Weltsicherheitsrat und weitergehende Sanktionen. Das würde helfen.“

Militärschläge wie gegen Libyen wollen die Demonstranten nicht. Ihnen reicht eine klare Stellungnahme des Westens. „Wenn Assad nicht geht“, sagt der 50-jährige Kardiologe Izaki Lababidi, „werden das Chaos und die Gewalt in Syrien und in der Region immer größer.“ Er ist mit Frau und zwei Kindern sechs Stunden aus Arizona nach Washington geflogen. „Zitieren Sie mich“, sagt er: „Seit in Syrien Kinder auf der Straße erschossen werden, habe ich keine Angst mehr.“