: So glänzen Sie bis 2009
VON GEORG LÖWISCH UND LUKAS WALLRAFF
1. Nicht abwarten – Tee trinken! Wieder ein Integrationsgipfel im Juli? Schön und gut, aber nicht genug. Mit diesem Thema können Sie sich endlos weltoffen präsentieren und das völlig ohne Folgen. Laden Sie künftig jede Woche irgendwelche Menschen mit Migrationshintergrund ins Kanzleramt, vor allem Vertreter von Gemeinden mit islamischem Hintergrund sollten stets dabei sein. Servieren Sie Tee und viele Süßigkeiten, kulinarisch und rhetorisch.
Seifen Sie die Imame ein. Lassen Sie, damit sich alle wohlfühlen, ein Hamam in der Regierungszentrale einbauen. Vielleicht ergibt sich ein guter Deal: Sie spendieren ein paar Millionen. Die Muslime bauen minarettlose Moscheen (in Industriegebieten). Mit Milli Görüs dealen ist Ihnen zu heiß? Sicherheitshalber überwacht ja Ihr Geheimdienstminister Thomas de Maizière die Gäste. Unauffällig. Auf seinem Ergometer im Ruheraum des Hamams radelnd.
2. Putzen Sie Schloss Meseberg heraus! Die Kabinettsklausur im August muss open air stattfinden. Unter dem freiem Himmel Brandenburgs. Zugegeben, die Idee ist nicht ganz neu. Schon Gerhard Schröder hat nur Kurt-Georg Kiesinger kopiert, als er seine Minister im Garten von Neuhardenberg an einer langen Tafel schwafeln ließ. Doch das kam gut an.
Übertreffen Sie die Vorgänger! Ihre Koalition wird die Allergrößte. Tagen Sie nachts. Mit Lampions, Lichterspiel und Steuersenkungen im Fackelschein, von denen Rot-Grün nur träumte. Die natürlich stufenweise in Kraft treten: Jeweils ein Prozent vor jeder Landtagswahl 2008. Wer soll dazu schon Nein sagen, jetzt, da die Wirtschaft brummt und Roger Cicero im Schlosspark ein Liedchen summt? Peer Steinbrück? Frauen regieren die Welt. Für immer. Versprechen Sie Steinbrück einfach, dass er auch in einer schwarz-gelben Zukunft Minister bleiben darf. Wie man Sozis einkauft? Fragen Sie einfach Nicolas Sarkozy.
3. Treiben Sie Wolfgang Schäuble an! Er ist zu lasch. Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt gibt es immer noch Internetcafés ohne Videoüberwachung und immer noch Umweltaktivisten, von denen keine biometrischen Ganzkörperfotos beim BKA gespeichert sind. Und der Linke Nescovic rennt auch immer noch ohne Fußfessel durch die Gegend. Mit Schäubles Sicherheitsmaßnahmen halten Sie alle beschäftigt. Aber Vorsicht: Irgendwann hat auch er sich abgenutzt. Dann: Feuern. Ersatz: Hans-Peter Uhl, CSU, bewährter Visafachmann.
4. Tauschen Sie mit der SPD! Nehmen Sie die Entwicklungshilfe und geben Sie den Sozialdemokraten das Verteidigungsministerium. Soll doch Struck die Särge in Empfang nehmen. Sie und Ihre neue Entwicklungsministerin Ingeborg Schäuble fahren derweil nach Tansania. Zur Alphabetisierungskampagne. Nach Afghanistan fliegen Sie besser nicht. Lieber direkt von Tansania ans Horn von Afrika zur Marine. An der Reling mit einem Fregattenkapitän, solche Bilder funktionieren immer noch am besten.
5. Reden Sie ständig über Kinder! Geben Sie Ursula von der Leyen freie Hand: Täglich neue Vorschläge für Kitas, Kinderkrippen, Rund-um-die-Uhr-Betreuung. Pläne, die Sie freundlich unterstützen. Das ist natürlich alles unbezahlbar. Finanziell, aber vor allem politisch. Es gibt nur einen, der widersprechen kann: der ewige Steinbrück. Umso besser! Dann sind die Sozialdemokraten die einzigen Blockierer bei Merkels Müttergenesungswerk. Die einzigen? Nicht ganz. Die Bedenken der Senioren-Union aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis darf Fraktionschef Volker Kauder vortragen. Soll er sogar. Ohne Widerstand aus den eigenen Reihen würde weniger auffallen, wie resolut Sie die Union und ganz Deutschland reformieren.
6. Stellen Sie profilierungssüchtige Parlamentarier ruhig! Hinterbänkler-Klein-Klein nervt die Wähler und lenkt von Ihren Erfolgen ab. Halten Sie die Abgeordneten von Union und SPD auseinander. Gehässigkeiten und Anschreien dürfen nur noch in abgetrennten Raucherräumen stattfinden. Das Produzieren ungesteuerter Interviews, Anträge und Entwürfe wird unterbunden – notfalls mit SMS-Nachtbefehlen. Damit die Abgeordneten etwas zu tun haben, lassen Sie die Landesgruppenchefs Studienreisen nach Kanada organisieren.
7. Besuchen Sie Marco W. im Gefängnis von Antalya! Das scheint Ihnen zu gewagt? Weil sich nicht sicher sind, ob der Uelzener nicht vielleicht doch …? Oder weil ein Besuch bei dem deutschen Häftling die Türken provozieren könnte? Gegen eine humanitäre, ja nennen wir es beim Namen: mütterliche Geste – am besten zu Weihnachten – kann doch niemand etwas haben. Nur falls Marco W. zusätzlich belastet wird, schicken Sie lieber Frank-Walter Steinmeier nach Antalya. Der ist ja ausgewiesener Spezialist für die Bemühung um schnelle Freilassungen aus inhumanen Haftanstalten.
8. Umschmeicheln Sie die Grünen! Kostet nichts und bringt viel. Machen Sie ja nicht den Fehler, nur einen der vier bis fünf Grünen-Chefs zu umgarnen, bevor klar ist, wer das Rennen macht. Statt Roth, Künast, Bütikofer, Kuhn, Trittin laden Sie lieber Katrin Göring-Eckardt zum Geburtstag ein und erklären das mit Ostverbundenheit. Bieten Sie Joschka Fischer einen Job an: Tony Blairs Nahostpläne ins Deutsche übersetzen.
Ihr Freund Guido könnte eifersüchtig werden? Entscheiden Sie die nächste Bundespräsidentenwahl ihm zuliebe halt wieder in Westerwelles Charlottenburger Wohnzimmer. Um im Vorfeld die Spannung für die Medien zu steigern, lassen Sie irgendjemanden Stoiber vorschlagen. Auch Schäuble können Sie nochmal kurz rankommen lassen. Am Ende Köhler behalten.
9. Machen Sie Doping zur Chefsache! Oder besser gesagt: den Kampf dagegen. Denn die Spiele der Bundesliga sowie aller anderen Kommerzsportarten müssen sauber bleiben, äh, erscheinen. Die Tour de France ist ein guter Anlass, um endlich kraftvoll einzugreifen. Aber Vorsicht: Die Deutschen nervt nur eines mehr als der Betrug im Sport: die Details. Wie finster die Lage wirklich ist, will niemand wissen. Hauptsache, einer sagt, dass er was tut: Sie. Schalten Sie Scharping endgültig aus. Beckenbauer soll auch den Radsport übernehmen. Der macht das. Unterbeschäftigt seit der WM, überragend im Volkberuhigen. Gemeinsam geben Sie Pressekonferenzen und schnüren Antidopingpakete. Küsschen!
10. Motivieren Sie die CDU-Basis! Es gibt kein besseres Thema für anstehende Landtagswahlkämpfe als eine novellierte Rote-Socken-Kampagne. Mit Warnungen vor der linken Volksfront bringen Sie auch die CDU im Schwarzwald-Baar-Kreis wieder in Festtagsstimmung. Und die SPD verheddert sich in Distanzierungskauderwelsch. CDU-Kampagnenleiter: Ihr SMS-Liebling Peter Hintze, der Erfahrung in diesen Dingen und als Raumfahrtkoordinator im Wirtschaftsministerium noch Kapazitäten frei hat.
11. Verschenken Sie überflüssige Kompetenzen! Bei der Föderalismusreform II müssen Sie genau da weitermachen, wo Sie bei der Föderalismusreform I aufgehört haben. Nur Geldumverteilen ist zu wenig. Nach der Bildung sollten Sie auch das Gesundheitswesen und vor allem den Arbeitsmarkt den Ländern überlassen. Dann können Sie sich entspannter der Außenpolitik widmen. Denn Sie wissen ja inzwischen: Nach internationalen Konferenzen werden Sie für jeden Kompromiss und Murks gelobt. Bei innenpolitischen Sachfragen werden Sie für dieselbe Vorgehensweise nur getadelt. Also weg mit allen nutzlosen Kompetenzen!