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Archiv-Artikel

Kein Heimspiel in Berlin-Marzahn

RECHTSEXTREME Rechte Gruppen rufen zu Protesten gegen Flüchtlinge auf. Es kommen vor allem Neonazis – und deutlich mehr Gegendemonstranten. Für die Rechten heißt das: Stehen, warten, umdrehen

BERLIN taz | Es sollte der größte Neonazi-Aufmarsch in Berlin seit Jahren werden. 1.000 TeilnehmerInnen wurden erwartet, die auf einer acht Kilometer langen Strecke durch den Bezirk Marzahn-Hellersdorf im Osten der Stadt ziehen wollten. Doch daraus wurde nichts: Rund 3.000 GegendemonstrantInnen blockieren die Strecke, die Rechten müssen erst stundenlang an ihrem Auftaktort warten und dann bereits nach wenigen hundert Metern umdrehen.

Zu den Gegenprotesten aufgerufen hatte ein Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und verschiedenen linken Gruppen, darunter auch mehrere Initiativen aus dem Bezirk. Den GegendemonstrantInnen gelingen schon vor dem geplanten Beginn der Neonazi-Demo auf der vorgesehenen Route Sitzblockaden. Der Start Rechten-Demo verzögert sich, von den anfangs 700 TeilnehmerInnen sind bald nur noch etwa 150 übrig.

Seit Wochen gibt es in Berlin regelmäßige Proteste in den Stadtteilen Marzahn, Buch und Köpenick – allesamt im Ostteil der Stadt und außerhalb der Innenstadt gelegen – gegen die dort geplanten Flüchtlingsunterkünfte. Angemeldet und organisiert werden die Demonstrationen nach taz-Informationen von organisierten Neonazis, die gern als „besorgte Anwohner“ und Mitglieder von „Bürgerinitiativen“ auftreten.

Die Rolle der Rechtsextremen in diesen Protesten ist umstritten: Nach Einschätzung von Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen handelt es sich um eine „Unterwanderung“ bestehender Bürgerproteste durch Rechtsradikale. Rechtsextremismus-ExpertInnen wie Bianca Klose von der Berliner Einrichtung „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ dagegen sagen, der Protest sei von Neonazis maßgeblich initiiert und organisiert.

Das Bild der „braunen Rattenfänger“, denen unbescholtene BürgerInnen auf den Leim gehen, funktioniere nicht: „Es ist unmöglich, nicht zu bemerken, dass es sich um eine rechtsextreme Veranstaltung handelt.“ Die DemonstrantInnen am Samstag tragen Deutschlandfahnen, rufen rechte Parolen und hetzen in Redebeiträgen gegen „Asylbetrüger“. Auch der NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke ist unter den Teilnehmern.

Gegen 17 Uhr gerät die Situation dann kurzzeitig außer Kontrolle: Nachdem sich die Demonstration der Rechten plötzlich doch noch in Bewegung gesetzt hat und auf einen Blockade-Punkt der GegendemonstrantInnen zu läuft, gelingt es den linken BlockiererInnen, durch eine Polizeiabsperrung hindurch direkt an die rechte Demonstration heranzukommen. Die Neonazi-Demo muss umdrehen und wird zurück zum S-Bahnhof geführt, vor sich hergetrieben von den GegendemonstrantInnen auf der anderen Fahrbahn – zwischen ihnen nur die Straßenbahnschienen und sichtlich überforderte PolizeibeamtInnen. 22 verletzte Polizisten und 14 Festnahmen gibt es am Ende laut Berliner Polizei. MALENE GÜRGEN