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Archiv-Artikel

Landtag mit vertauschten Rollen

CDU auf der Oppositionsbank, die Grünen als Regierung – einige Abgeordnete haben die Rollen getauscht. Die neuen SenatorInnen meisterten ihren ersten Parlaments-Auftritt höchst professionell

Von Klaus Wolschner

Die Rollen sind neu verteilt in der Bremischen Bürgerschaft, und viele – sowohl Parlamentarier als auch die Regierenden – müssen sich umgewöhnen. Anja Stahmann zum Beispiel, die seit Jahren als Oppositionsvertreterin scharfe Reden hält und nun Dinge rechtfertigen muss, die sie nicht zu verantworten hat. Oder Claas Rohmeyer (CDU), der gestern über Missstände im Bildungsressort reden musste, die aus der Zeit stammen, in der seine Partei Koalitionspartner war. Dann gibt es noch die Neulinge wie Jost Beilken von der Linkspartei, der in seiner Aufregung die Abgeordneten mit „Guten Tag miteinander“ begrüßte. Und die SenatorInnen, die schon Rede und Antwort stehen müssen, obwohl sie kaum Zeit hatten, ihre eigene Behörde kennen zu lernen.

Dass Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper und der neue Umweltsenator Reinhard Loske Profis sind, das wurde gestern deutlich. In der Bildungsdebatte – da hatte die FDP die Oppositionsnase vorn – ging es um die Verzögerungen der Lehrereinstellung. Magnus Buhlert (FDP) kann zwar frei reden, wo andere wie der neue SPD-Bildungspolitiker Mustafa Güngör an ihrem vorbereiteten Manuskript kleben. Aber einen großen Oppositions-Auftritt vermochte Buhlert aus dem Stoff nicht zu inszenieren. Die Besetzung von 87 Lehrerstellen hat sich verzögert, in zwei Wochen sind Sommerferien, viele der Bewerber haben anderswo längst eine Stelle zugesagt bekommen, das ist das Problem. Buhlert: „Schule ohne Lehrer geht nicht.“

Doch das Problem liegt schlicht an einem Durcheinander in der Verwaltung – wie soll man daraus als Opposition Honig saugen? Er habe auch früher immer bedauert, „dass Willi Lemke sich nicht gegen das Ressort durchsetzen konnte“, landete Rohmeyer immerhin einen Treffer. Und dann mutmaßte er, dass hinter dem Behördenversagen Absicht stecke.

„Quatsch“, konterte Anja Stahmann für die neue rot-grüne Koalition, es gehe um eine „Panne, die sich nicht wiederholen“ dürfe. Die Senatorin Renate Jürgens-Pieper räumte auch „Fehler in der Behörde“ ein, das Einstellungsverfahren sei eben sehr kompliziert. Und sie sagte zu, dass in Zukunft die Schulen mehr zu sagen haben sollen, die Behörde weniger – das würde alles vereinfachen.

Die Debatte um das von der SWB geplante Kohlekraftwerk gab da schon eher einen Vorgeschmack auf die zukünftige Gefechtslage im Parlament. „Wir wollen Arbeitsplätze und brauchen Steuern“, so begründete der CDU-Sprecher Dieter Focke die Haltung seiner Fraktion. Von Matthias Güldner (Grüne) musste er sich in einer scharfzüngigen Rede anhören, dass gerade er von dem beschlossenen „ergebnisoffenen Moderationsverfahren“ zum Thema Kraftwerk viel lernen könne – so undifferenziert wie er redeten auch CDU-Parteifreunde nicht über das Thema Klimaschutz. „Wer in Berlin A sagt, muss in Bremen B sagen“, formulierte Güldner unter tosendem Beifall der Koalitionsabgeordneten.

Der neue Umweltsenator Loske erklärte, das geplante Kohlekraftwerk sei nicht „modernste“ Technik und würde nur wenige Arbeitsplätze schaffen – im Vergleich zu einer Politik, die auf erneuerbare Energieträger setzt. Mehr Ökologie sei für die Ökonomie von Vorteil. Ökologie und Ökonomie als „einerseits – andererseits“ gegenüber zu stellen sei eine alte Denkweise, die auch zum Beispiel die Bundeskanzlerin längst überwunden habe, meinte Loske zu dem Bremer CDU-Politiker Focke.