: Unter dem Pflaster der Wald
MITTWOCHSBAR Bei Gabom trifft sich im grünen Hof des ://about blank die Alte Berliner Schule von House zu Musik und Essen: Alles ist offen, alles ist erlaubt
Hallo, Raver, die Alte Schule ist da! Es ist halb acht Uhr abends. Auf den Bänken draußen im Garten sitzen ein paar Senioren und lauschen ihrem Sohn, dem DJ, der selber schon lange erwachsen ist. Die Teenies da, sind das seine Kinder? Dazwischen Gesichter, die man auch schon in den Neunzigern gesehen hat, im WMF, im Friseur oder im Elektro. Wie an jenen mythischen Orten der Offenheit nimmt man es auch hier und heute nicht so genau mit den Genres. Alles, was irgendwie zur Familie der Tanzmusik gehört, wird gespielt. Immer gibt es zu essen. Letztens trug Tobias Rapp aus den Werken Erich Mühsams vor.
Den ganzen Juli schon haben die girls and boys on music, kurz gabom, jeden Mittwoch ins ://about blank eingeladen. Immer hat es geregnet. Bis auf vergangene Woche. Die Sonne scheint, es ist warm. Christoph Grote-Beverborg alias CGB, der das operative Geschäft von Dubplates & Mastering leitet, legt schöne alte Reggaeplatten auf. Mark Ernestus, Technolegende und Plattenladenbesitzer, tut es ihm gleich. Irgendwann leitet er elegant, man merkt es kaum, zu neueren Musiken über, die sich afrikanischer Rhythmen bedienen. Dem Gast aus Kambodscha ist das alles zu langweilig, egal ob alt oder neu. Ihm ist das nervöse Mashup-Wesen asiatischer DJ-Kultur, in der ständig neue Reize, Informationen, Zitate, Farben und Beats aufeinanderfolgen, so zur zweiten Natur geworden, dass er das zurückgelehnte Plattendrehen der Berliner nicht mehr so recht aushält. In unserem Garten gehen die Uhren ganz langsam.
Hungrige Männer und Frauen schaufeln sich den köstlichen, mit Rotwein und wildem Thymian verfeinerten Gulasch von Newcleus in die hungrigen Mägen. Er kocht ab sechs, so gegen acht ist das Essen fertig. Wir nerven ihn ein bisschen mit unserer Ungeduld. Nach dem Mahl blickt man versonnen in den Garten des Clubs, der schon von der Vegetation her der ruderalen Flora der alten Stadtmitte gleicht, wo schnell wachsende, widerstandsfähige Pflanzen die Gunst der geschichtlichen Pause nutzten und ungestört vor sich hin wucherten. Der Essigbaum ist das geheime Wahrzeichen von Mitte, er wächst auch hier.
Der Essigbaum kam im 17. Jahrhundert, House kam in den Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts nach Berlin. Beide stammen aus Nordamerika. Die einstige Zierpflanze wächst seitdem da, wo keiner gärtnert. House auch. Der Neukreuzberger neben mir sieht das wie immer – ganz anders. So wird Berlin aussehen, wenn die Touristen wieder weg sind, sagt er. Kein Dancefloor ohne Thesenbildung.
Der Kambodschaner lächelt müde. Das sei das Problem der Berliner: nicht zu verstehen, dass die Touristen niemals wieder verschwinden werden. Na bitte, sollen sie eben bleiben. Bass Dee, einer der Macher von gabom, erzählt von den Duschen hinten im Unterholz. Er warnt vor der Strippe, die da aus einem Baum herunterhängt. Sie führt zu einem Eimer.
Dann ist es zehn, und alle schlurfen gemütlich nach drinnen. Andi Toma von Mouse on Mars steht am Laptop. Die beiden proper gestylten Japanerinnen, die sich über die plastischen Blasen aus Klang freuen, die Toma aus den Boxen plumpsen lässt, sind sicher nicht wegen der Essigbäume, sondern wegen Andi Toma da. So ähnlich und doch ganz anders wird es heute Abend sein. Aschka wird ein Liveset spielen. Danach wechseln sich MS Elbe, Tilman und Kriton an den Decks ab. ULRICH GUTMAIR
■ Markgrafendamm 24 c. Ab 20 Uhr. 5 Euro