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Archiv-Artikel

VORSICHT, FICK-AB-KÜNSTLER!

VON THOMAS SPITZER

Ganz Deutschland versetzen sie in Aufruhr! Männer erstarren vor Neid, Frauen bekommen Knie, die weich sind, als wären sie aus Streichwurst. Ein Blick von ihnen genügt – und du willst an ihren Achseln lecken. Ein Wort – und du willst, dass eure Kinder im Stechschritt aus deinem Unterleib marschieren. Eine Berührung – und du gehst sofort … auf die Straße! Und rebellierst! Gegen Pick-up-Artists und ihre fiesen Methoden, mit denen sie ihr Gegenüber manipulieren und in die Kiste kriegen wie eine lustige Holzlokomotive bei Anbruch der Pubertät.

Denn Pick-up-Artists sind die Voodoo-Zauberer unter den Puppenspielern, die Picassanovas unter den Picassi, die 50 Shades of Pastellfarben unter den 50 Shades of Grey, die dunklen Magier, deren Name nicht genannt werden darf unter den Magiern, von denen zumindest mal der Anfangsbuchstabe genannt werden darf. Sie sind schwerer zu erkennen als Ghostface Killah bei Nacht und geben sich noch unscheinbarer als Reinhard Meys kleiner Bruder – Reinhard Shy.

Pick-up-Artists sind geschult! Und geduscht! Und ein schickes Hemd tragen sie auch noch! Pick-up-Artists kennen sie alle, die wilden Tricks der Verführung, vom freundlichen „Hallo“ bis zur beiläufigen Berührung am Schamhügel oder der Kunst, sich interessanter zu machen, als man ist. Zum Beispiel mit einem süffisant in die Nacht hinausgehauchten „Nein, danke. Davon bekomme ich Scheißerei“.

Pick-up-Artists sind absolute Profis. Sie können sich nicht nur deine Nummer merken, sondern auch die fünfte Wurzel daraus ziehen. Sie verabreden sich nicht nur mit dir, sie bestellen auch noch etwas zu trinken, und wer weiß, vielleicht wird es ja ein richtig netter Abend. Da wird doch der Hund in der Pfanne extrem verrückt!

Vor allem, wenn man hört, welche Sprache sie untereinander verwenden. Statt „Sex“ zum Beispiel sagen sie „FC“, statt „FC“ sagen sie „Fußballverein“ (oder „Frauenchor“), statt „flotte Biene“ heißt es „gnädiges Fräulein“, und statt einem klassischen „Juchhe“ kodieren sie ihre Freude mit einem dreifachen „Pick pick, hurra!“ – gefolgt von einem „Cowabunga!“ und der Imitation eines pickenden Huhnes.

Ja, ist denn das zu fassen? In was für einer Welt leben wir eigentlich? In einer mit Kohlenstoff? Wie soll man sie noch voneinander unterscheiden, die echten – durch nostalgisch verklärten Sexismus und viele harte Winter gereiften – Verführer von den Robotern, die sich nur wie echte Verführer geben und auch noch so riechen? Was kommt als Nächstes? Bäcker, die nur backen, damit es uns schmeckt? Giraffen in Zoos, die wie Giraffen aussehen und sich wie Giraffen bewegen und tatsächlich Giraffen sind, aber eigentlich gar keine Lust haben? Ninjas, die man sieht?

Muss ich Angst haben, mich beim nächsten Rendezvous in Manuel Neuer zu verwandeln? Könnte ich ein Gulaschrezept haben? Sehe ich in diesem Kleid dick aus? Frauen dieser Welt, vereinigt euch! Weihnachten steht vor der Tür. Pardon: WeihnachtInnen. Schon allein dieses anzügliche Rot geht gar nicht.