„Polizei verliert durch Schäuble Vertrauen“

Der Chef der Polizeigewerkschaft GdP wirft dem Innenminister vor, mit sinnlosen Vorschlägen der Polizei zu schaden

KONRAD FREIBERG, 55, arbeitet seit 1968 als Polizist. Im Jahr 2000 wurde er Chef der GdP, der größten Gewerkschaft der Polizei.

taz: Herr Freiberg, Sie werfen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble vor, er handle verantwortungslos. Warum?

Konrad Freiberg: Die Vorschläge, Terroristen gezielt zu töten und ein Handy- und Internetverbot einzuführen, zeigen einen Aktionismus, der nicht gegen die wirklichen Gefahren hilft. Herr Schäuble möchte sich nur für den Fall absichern, dass es tatsächlich einmal einen Anschlag gibt. Dann will er sagen können, er habe versucht, etwas dagegen zu tun. Er fürchtet, verantwortlich gemacht zu werden.

Damit könnte er auch Recht haben.

Verständnis habe ich für seine Haltung trotzdem nicht. Seit dem 11. September 2001 sind 10.000 Stellen bei der Polizei abgebaut worden. Das ist Deutschlands selbst gebasteltes Sicherheitsrisiko. Wenn Herr Schäuble wirklich etwas für die Sicherheit im Lande tun wollte, würde er dafür eintreten, dass die Polizei in Bund und Ländern wieder aufgestockt wird. Leider verschafft es einem Politiker mehr Aufmerksamkeit und Zeitungsauflage, wenn er ein neues Gesetz fordert, als wenn er einfach einmal 100 neue Polizisten einstellt.

Sie sind Gewerkschaftschef, Sie müssen so reden. Schäubles Befürworter sagen aber, es seien eher neue Technologien zur Abwehr von Terrorismus notwendig, nicht neue Leute.

Das lässt sich gar nicht voneinander trennen. Mir ist keine Maßnahme bekannt, die keine neuen Leute benötigt. Für die Onlineüberwachung braucht man ebenso neue Fachleute wie für die Anti-Terror-Datei. In der Praxis bedeutet das allerdings: Wenn Herr Schäuble seine neuen Regelungen durchbekommt, dann gibt es immer weniger Polizisten für immer mehr Aufgaben.

Was müsste denn Ihrer Meinung nach passieren?

Zunächst brauchen wir mehr Aufklärung der Bevölkerung. In London konnten normale Menschen den Anschlag verhindern, weil sie wussten, worauf sie zu achten hatten. Diese Sensibilisierung muss auch in Deutschland vorangetrieben werden.

Sodass jeder sich berufen fühlt, endlich den ungeliebten türkischen Nachbarn als Al-Qaida-Zuträger zu verpetzen?

Unsinn, ich rede nicht von Denunziantentum, sondern davon, ein verdächtiges Gepäckstück zu erkennen, beispielsweise. Außerdem brauchen wir mehr Polizisten. Wir konnten die sechs bisher in Deutschland geplanten Anschläge nur aufgrund von Ermittlungen verhindern. Leider kosten neue Polizisten aber Geld. Die Diskussion über neue Gesetze ist dafür absolut kosten- los, aber leider genauso sinn- los.

Finden Sie die Schäuble-Vorstöße eigentlich nur aus technischen Gründen fragwürdig?

Auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat die jüngsten Vorstöße von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu schärferen Sicherheitsgesetzen zurückgewiesen. Mit Forderungen nach mehr Freiheiten des Staates im Anti-Terror-Kampf „verkehrt er den Freiheitsbegriff des Grundgesetzes“, sagte Zypries der Zeit. Es mache „einen gewaltigen Unterschied, ob ich als Verfassungsminister etwas für mich im stillen Kämmerlein denke oder ob ich mit vagen Vorschlägen und Formulierungen an die Öffentlichkeit gehe und damit die Debatte unnötig anheize“. AFP

Nein, wirklich nicht. Mich stört auch, dass solch überzogene Vorschläge auch dazu führen, dass viele Menschen das Vertrauen in die Polizei verlieren. Sie fühlen sich in ihren Bürgerrechten bedroht – und zwar zu Recht. Das Vertrauen der Mehrheit der Menschen ist unsere beste Arbeitsgrundlage und auch unser bester Schutz. Bevor wir das verlieren, verzichte ich liebend gern auf ein paar Gesetze.

Was wollen Sie tun? Lobbying mit den Grünen im Bundestag?

Mit denen arbeiten wir öfter zusammen, da gibt es durchaus gemeinsame Positionen. Ich habe dem SPD-Vorsitzenden Kurt Beck schon vor Schäubles neuesten Vorschlägen gesagt, dass seine Partei sich gegen solche militaristischen Tendenzen stellen muss. Es kann nicht angehen, dass einige seiner Parteikollegen sich für den Einsatz von Gummigeschossen einsetzen – wie das während des G-8-Gipfels passiert ist. Wir brauchen in der Politik wieder mehr Auseinandersetzung um wirkliche Argumente und weniger Hysterie.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ