: Mann ohne Einfluss
Wenn heute wohl Lutz Marmor neuer NDR-Intendant wird, ist das nicht die erste Niederlage für Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff
AUS HANNOVER KAI SCHÖNEBERG
Nichts als „Bild, Bams und Glotze“ brauche er, sagte Gerhard Schröder. Auch sein Nachfolger in der niedersächsischen Staatskanzlei, Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), spielt gerne mit den Medien. Mal tauft er mit Sarah Connor vor Fotografen ein Känguru, mal will er Herbert Grönemeyer in der Bild am Sonntag einen CDU-Abgeordnetensitz zuschanzen. Wulffs Medienpolitik aber ist wenig erfolgreich. Wenn heute der Rundfunkrat des Norddeutschen Rundfunks wohl den WDR-Verwaltungsdirektor Lutz Marmor zum Nachfolger des NDR-Intendanten Jobst Plog kürt, ist das nicht Wulffs erste Niederlage als Medienpolitiker.
Wie wenig sich Wulff um die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Gremien schert, mussten Mitglieder vor der entscheidenden Verwaltungsratssitzung vergangene Woche feststellen, als Wulff sich gegen Marmor positioniert haben soll. Das bürgerliche Lager favorisierte NDR-Fernsehchef Volker Herres, den Ziehsohn des SPD-Mitglieds Plog, an der Senderspitze. Der Deal: Dafür wäre der CDU-nahe Landesfunkhauschef aus Hannover, Arno Beyer, als Vize in die Hamburger Sendezentrale gekommen. Zwei Chefposten – die von Herres und Beyer – wären so im Vier-Länder-Sender NDR frei geworden, Verfügungsmasse für Neubesetzungen nach Wulffs Gusto. Der schwarze Block hat in den NDR-Gremien dafür jedoch nicht genug Stimmen.
So gilt es als wahrscheinlich, dass die Zweidrittelmehrheit, die der politisch eher dem linken Lager zugehörige Marmor braucht, um Intendant zu werden, zustande kommt. Der konservative, aber als unbestechlich geltende Journalist Beyer soll NDR-Vize werden, aber zugleich Chef in Hannover bleiben. Da bleibt kein Platz für Personalrochaden nach Parteibuch. Das alte Sprengel-Prinzip, mit dem die damaligen SPD-Länderfürsten Schröder, Henning Voscherau und Björn Engholm 1991 Plog auf den Senderthron hievten, scheint durchbrochen.
Vor fast drei Jahren hatte Plog vor einem Raubzug der Politik im Sender warnen müssen; der NDR, so Plog, stehe „in der Tradition der BBC und nicht eines Staatsrundfunks“. Damals hatte Wulff gedroht, den NDR-Staatsvertrag zu kündigen. Intern gab es sogar die Überlegung, zusammen mit dem ebenfalls CDU-regierten Hessen eine neue Anstalt zu gründen: Der Zusammenschluss der vier Nordländer im NDR sei ja nicht „gottgegeben“, sagte er.
Offiziell forderte er, Niedersachsen solle stärker im Hamburg-lastigen NDR-Programm vertreten sein. Tatsächlich zielte Wulffs Vorstoß darauf, Gewerkschafter oder Vertreter von Umweltverbänden aus dem 58-köpfigen Rundfunkrat zu mobben, der über die Senderinhalte wacht. Am liebsten hätte Wulff Vertreter der Regierungszentralen der NDR-Länder direkt in den 12-köpfigen Verwaltungsrat entsandt, der die Senderchefs vorschlägt. Auch damals gab es eine Bauchlandung für Wulff: Die Staatskanzleien sind heute im höchsten NDR-Gremium nur Zaungäste. Zudem wird aus Hannover nun der Plauder-Talk „Hermann & Tiedjen“ gesendet – und nicht etwa ein hochrangiges Politmagazin. Immerhin: Künftig dürfte der neue Vize-Intendant Beyer das Gewicht Niedersachsens, wo fast 60 Prozent der NDR-Gebührenzahler wohnen, stärken. Auch Stern und Spiegel seien zwar in Hannover gegründet worden, aber dann umgezogen, sagte einst Jobst Plog. Nach Hamburg.