: „Gymnasium für alle“?
Interview mit Imke Kuhmann, Elternvertreterin am Hermann-Böse-Gymnasium und Mitglied im Zentralelternbeirat (ZEB), über die schulpolitischen Ziele der Elternvertreter
taz: Frau Kuhmann, der SPD-Fraktionsvorsitzende hat in der Debatte um die Regierungserklärung die neue Gesamtschul-Politik des Senats erläutert und sich dabei auf den Elternwillen berufen. Sie hätten als Vertreterin der Gymnasien im Zentral-Elternbeirat (ZEB) eine forcierte Gesamtschul-Politik gefordert.
Imke Kuhmann: Das haben wir so nicht gesagt. An keiner Stelle in unserem Zehn-Punkte-Papier steht, das wir nur Gesamtschulen wollen. Es geht uns vor allem um die Ressourcen. Wenn der neue Senat noch weiter kürzt, brauchen wir uns über Visionen von integrierten Schulformen nicht weiter zu unterhalten.
Sie schreiben „Gymnasium für alle“, ist das kein neuer Name für Gesamtschule?
Nein. Gymnasium für alle beschreibt keine Schulform, sondern den Leistungsanspruch, den wir wollen. Wir möchten nicht, dass in allen Schulen die Klassen so groß gemacht werden, wie es an den Gymnasien derzeit geschieht. Wir möchten gleiche Bildungschancen für alle Kinder. Dafür müssen die erforderlichen Ressourcen an den Schulen und insbesondere auch an den Gymnasien zur Verfügung gestellt werden. Wir möchten nicht, dass das Niveau sich nach unten orientiert, was eine oft vertretene Kritik an den Sekundarschulen ist. Wir können nicht kopieren, was in Finnland ist, wir sind nicht in Niedersachsen, wir sind in einem Stadtstaat. Wir fordern Verbesserungen deshalb für alle Schularten hier.
Warum können wir uns nicht Finnland zum Vorbild nehmen?
Da muss man sich die Bevölkerungsstruktur angucken, es gibt nicht so eine große Zahl von Migrantenkindern auf kleiner Fläche. Und Niedersachsen ist ein Flächenstaat, da hat man oft wenig Auswahl, auf welche Schule man gehen will.
In dem Gesamtschul-Papier von Frau Jürgens-Pieper ist als erster Schritt formuliert, dass das Sitzenbleiben unterbunden werden soll. Schulen sollen nicht mehr „abschulen“ dürfen, sollen alle Kinder, die sie aufgenommen haben, zu einem ihnen entsprechenden Abschluss bringen.
Da bin ich skeptisch. Es gibt sicherlich Fälle, da ist das Sitzenbleiben der einzige Weg. Das kann man nicht generell abschaffen. Es gibt Fälle, in denen Kinder trotz mehrerer Fünfen aus pädagogischen Fällen versetzt werden, aber das ist nicht immer richtig.
„Schüler unterrichten statt Fächer“ fordern Sie in ihrem Zehn-Punkte-Papier.
Es gibt Themen, die kann man nur frontal unterrichten, aber der moderne Projektunterricht verbreitet sich durchaus auch an den Gymnasien. Aber mit 33 Kindern in der Klasse gehen manche Dinge nicht. Sie können in kleinen Klassenräumen am Hermann-Böse-Gymnasium nicht 33 Kinder an Tischgruppen unterbringen. An den Gesamtschulen liegen die Klassenfrequenzen um ein Drittel niedriger.
Sie fordern mehr jahrgangsübergreifenden Unterricht?
Es hat sich herausgestellt, dass das den Kindern gut tut. Vor allem im Grundschulbereich gibt es da viele gute Modelle. Wenn Kinder schon lesen und rechnen können, langweilen die sich da zu Tode ein Jahr lang – und werden auffällig. In jahrgangsübergreifenden Gruppen haben die einen die Chance, von anderen zu profitieren, und wer schneller ist, kann auch schneller durchkommen. Ob das in höheren Klassen auch sinnvoll ist, muss man sehen.
Hat der SPD-Fraktionsvorsitzende oder die neue Bildungssenatorin sich von Ihnen mal erklären lassen, was der ZEB wirklich will?
Ich kenne Herrn Dr. Sieling nicht. Ich finde es nicht in Ordnung, dass er uns vor seinen Karren spannt. Die neue Senatorin Frau Jürgens-Pieper hat mich angesprochen. Wir werden uns zusammensetzen. Fragen: kawe
ZEB-Papier unter www.mehr-dazu.de