: Zwischen Littmann-Loch und Trainer-Tausch
Nach vier Jahren Regionalliga-Tristesse kehrt der FC. St. Pauli zurück in die zweithöchste Spielklasse. In der Baustelle Millerntor soll jetzt die Erfolgsgeschichte der vergangenen Saison fortgeschrieben und die Klasse gehalten werden
Die Saison begann mit kräftigen Nebengeräuschen: Zuerst erklärte die Deutsche Fußball-Liga (DFL) Ende Juni, St. Paulis Aufstiegstrainer Holger Stanislawski dürfte sein Team zukünftig nicht mehr trainieren – in Ermangelung eines Trainerscheins. Diese Schein-Debatte wurde nach Tagen hektischer Betriebsamkeit schließlich mit einer Schein-Lösung ad acta gelegt: Co-Trainer André „Truller“ Trulsen übernimmt für ein Jahr formal das Team, während „Stani“ fortan offiziell als Team-Manager, gleichzeitig aber auch als Sportchef fungiert. In der Praxis dürfte alles beim Alten bleiben. Aus „Struller wird Trulski“ titelte so auch ein Boulevardblatt mit feinem Gespür für das so banale wie treffsichere Wortspiel.
Vor wenigen Tagen gab der Verein selbst dann die nächste Hiobsbotschaft heraus: Die neue Südtribüne, an deren Stelle seit Jahresbeginn eine von Spöttern nach Vereinspräsidenten Corny Littmann benannte Lücke – das „Littmann-Loch“ – klafft, wird erst im kommenden Jahr bezugsfertig sein. Dem Verein entgehen damit Einnahmen in sechsstelliger Höhe. Littmanns Wiederwahl im Spätherbst gilt durch die erneute Bauverzögerung als unsicher, auch wenn der Dauerkonflikt zwischen ihm und seinem Aufsichtsrat sich in den vergangenen Monaten deutlich entschärft hat.
Dass es zumindest sportlich in der neuen Saison rund läuft, dafür soll vor allem der von Stanislawski zusammengestellte Kader sorgen. „Stani“ gelang es nicht nur, die Stammelf der vergangenen Saison komplett am Millerntor zu halten, sondern auch Neuzugänge zu verpflichten, die das Team deutlich verstärken dürften. Trotz eines 6-Millionen-Mini-Etats erscheint das oberste Ziel „Klassenerhalt“ somit realisierbar.
Dafür soll von den feststehenden Neuzugängen vor allem der Tscheche Filip Trojan (siehe Portrait) sorgen, der zwar keinerlei Torgefahr ausstrahlt, als technisch versierter Spieler aber die linke Mittelfeldseite entscheidend beleben soll. Nicht weniger Hoffnung lässt die Rückkehr von Ralf Gunesch, 23, bei den Verantwortlichen aufkeimen. Drei Jahre lang war der Abwehr-Allrounder am Millerntor bereits Stammspieler, bevor er 2006 zu Mainz 05 wechselte, um Bundesliga-Luft zu schnuppern.
Während die Abwehr spätestens durch das Comeback Guneschs und die geplante Verpflichtung des noch in Jena unter Vertrag stehenden Abwehr-Routiniers Ronald Maul, 34, Zweitligareife erlangen dürfte, könnte der Wurm im Sturm liegen. Mit René Schnitzler, 22, bislang Mönchengladbach, und Alexander Ludwig, 23, bislang Dresden, hat Stanislawski zwei talentierte Angreifer verpflichtet, die in der vergangenen Saison in der Regionalliga-Nord zusammen 25 mal den gegnerischen Kasten trafen.
Beide Akteuren eilt aber der Ruf voraus, einen „schwierigen Charakter“ zu haben. Ob es den Sturmtalenten gelingt, sich im Mannschaftsgefüge zu integrieren und auch in der Zweiten Liga durchzusetzen, gehört zu den Fragen der kommenden Saison, von deren Beantwortung Erfolg oder Misserfolg abhängen.
Die Liste der Neuerwerbungen komplettiert der Ex-Erfurter Mittelfeld-Allrounder Björn Brunnemann, 26, der in Cottbus bereits Zweitliga-Erfahrung sammeln konnte. Sein Markenzeichen – ein wasserstoffblond gefärbter Schopf – könnte bald dazu führen, dass der Fan-Schmähruf „Du hast die Haare schön“ schon bald nicht nur Spieler des gegnerischen Teams trifft. MARCO CARINI