: „Das ist ein kleines Wunder“
Nicht wenige TrägerInnen des Bremer Förderpreises für Bildende Kunst haben überregionale Bedeutung erlangt. Ein Gespräch mit Kurator Stephan Berg über Förderkarrieren, seriöses Mittelmaß und die Frage, ob man Ausgelobtes immer vergeben muss
STEPHAN BERG ist Kunsthistoriker, Direktor des Kunstvereins Hannover und Kurator der Jubiläumsausstellung zum Förderpreis für Bildende Kunst. 2005 sollte er Leiter des Neuen Museums Weserburg werden.
Interview von Jan Zier
taz: Herr Berg, warum ist gerade der Bremer Förderpreis für Bildende Kunst etwas Besonderes?
Stephan Berg, Kurator und Direktor des Kunstvereins Hannover: Der Überblick über die letzten 30 Jahre hat gezeigt, dass es eine ganze Reihe von künstlerischen Positionen gibt, die den Weg in die überregionale, zum Teil auch in die international wahrgenommene Kunstszene geschafft haben.
Wer fällt Ihnen da beispielsweise ein?
Astrid Nippoldt etwa, die jetzt ein Stipendium der Villa Massimo hatte und in verschiedenen internationalen Ausstellungen vertreten ist. Oder Norbert Schwontkowski, der 1985 Preisträger war und heute zu den hoch gehandelten Künstlern gehört, mit großen Sammlungsbeständen in Florida und Miami. Gleichzeitig, und das ist ganz typisch für jeden Preis, gibt es natürlich auch viele Positionen, die still und eifrig ihren Weg weitergegangen sind, ohne dass der Kunstbetrieb das belohnt hätte. Aber wenn man bei 30 Preisträgern fünf oder sechs hat, die reüssieren, dann ist das schon eine sehr gute Erfolgsquote. Im Normalfall haben nur zwei oder drei Prozent der Kunstakademieabgänger die Chance, es überregional zu schaffen.
Und der Rest versinkt im Mittelmaß?
Nicht alles, was überregional kaum Beachtung findet, ist deswegen schon Mittelmaß. In vielen Fällen sind das seriöse Positionen, Arbeiten, die interessant sind, denen aber eine bestimmte Zuspitzung fehlt, die sie einmalig macht.
„Interessant“ zu sein, ist meist ein zweifelhaftes Lob.
Das Interessante ist sozusagen der Humus. Erst durch dieses Fundament hat das Außer-Ordentliche eine Chance zu wachsen, wahrgenommen zu werden.
Finden sich denn tatsächlich in jedem Jahr außerordentliche KünstlerInnen?
Ich finde, es muss auch mal die Möglichkeit geben, einen Preis nicht zu verleihen. Das kann auch ein Zeichen der Seriosität und Unbestechlichkeit einer Jury sein. Doch die Angst ist groß, dass der Preis dann beschädigt wird oder der Geldgeber sich zurückzieht. Das ist ein sensibles Geflecht. Wenn die Preise verstetigt sind, müssen sie auch laufen, sonst werden sie sofort in Frage gestellt.
Norbert Schwontkoswki war, im Nachhinein betrachtet, ja eine gute Wahl. Aber wäre er ohne diesen Preis auch so weit gekommen?
Das ist schwierig zu sagen. Jeder Preis bildet einen kleinen Sockel für eine künstlerische Position, hebt sie für einen Moment heraus. Dadurch entsteht ein Multiplikatoreffekt: Wie der funktioniert, ist aber schwer zu überprüfen. Ein Preis ist wie ein Fenster, das aufgemacht wird, um frische Luft hereinzulassen. Gerade Norbert Schwontkowski ist fast über Jahrzehnte hinweg ein norddeutscher Kleinmeister gewesen, dessen Bilder als melancholisch, als poetisch versponnene Seelenwelten galten, aber so gar nicht in die Zeit zu passen schienen. Die Tatsache, dass er mit über 50 und einem ganz ungebrochenen Malstil plötzlich weltmartktfähig wurde, ist ein kleines Wunder.
Aber gibt es irgendetwas spezifisch Norddeutsches an dieser Kunst?
Ich habe nichts Bremisches in dieser Kunst entdecken können. Manchmal wird ja argumentiert, die Bremer seien etwas geistkühl, calvinistisch, analytisch. Aber auch dazu gibt es Gegenbeispiele: Norbert Schwontkowski etwa oder Zoppe Voskuhl.
Gut zwei Handvoll der PreisträgerInnen haben es auch in die Villa Massimo geschafft. Entspricht das der klassischen Förderkarriere?
Ein Stück weit schon. Gerade in Norddeutschland besteht die Gefahr, dass Positionen, die einen guten Beginn hatten, zu Tode gefördert werden. Die Förderkarriere beginnt dann mit Anfang 30 und endet mit 40 relativ abrupt. Der Markt reguliert das sehr brutal, hilft aber auf Dauer, Missverständnisse zu verhindern. Mancher verlässt sich auf die fortwährende Pamperung mit Stipendien und bekommt dann jenseits der 40 ein riesiges Problem. Und es gibt auch Künstler, die sich fantastisch gut auf Stipendien bewerben können, weil sie genau die richtige Terminologie finden, um Juroren zu überzeugen. Da muss man aufpassen, nicht eine Hängematten-Haltung zu befördern.
Aber es muss einem nicht verdächtig vorkommen, wenn KünstlerInnen stark gefördert werden?
Nein. Da muss man jeden Einzelfall prüfen.