: Geißler-Vorschlag ohne Chance
STUTTGART 21 Nur im Konsens aller Beteiligter will die Landesregierung den Kompromiss aus Tief- und Kopfbahnhof weiterverfolgen. Doch die Bahn bekräftigt ihre Ablehnung
HANS-ULRICH RÜLKE, FDP
AUS STUTTGART NADINE MICHEL
Der Kompromissvorschlag von Heiner Geißler im Streit um Stuttgart 21 hat offenbar politisch keine Chance. Zwar hat die baden-württembergische Landesregierung eine endgültige Entscheidung über die Kombilösung vertagt, indem sie erst einmal die anderen Projektpartner um eine offizielle Stellungnahme bat. Weiterverfolgt werden soll der Vorschlag aber nur im Konsens aller Beteiligten, ließen Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Vize Nils Schmid (SPD) in einer schriftlichen Stellungnahme erklären. Und so ein Konsens ist praktisch ausgeschlossen, denn Bahn und Bundesregierung hatten bereits deutlich gemacht, dass sie den Kompromiss ablehen.
Vor zwei Wochen hatte Geißler eine Kombination aus dem geplanten Tief- und dem bestehenden Kopfbahnhof vorgeschlagen. Er nannte diesen Vorschlag „Frieden in Stuttgart“. Doch ausgelöst hat das Papier vor allem neuen Streit zwischen den Grünen und der SPD.
Noch bevor sich die Koalitionsspitzen am Donnerstag in einer Telefonkonferenz beraten hatten, preschten einzelne Akteure vor. Während Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) die Kombilösung als tragfähig bezeichnete, stempelte sie SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel als „Fata Morgana“ ab. Diesen Konflikt konnte offenbar auch die Telefonkonferenz nicht aus dem Weg räumen.
Die Vorprüfungen der Landesregierung hätten ergeben, dass für den Kombivorschlag ein neues Planfeststellungsverfahren nötig sei und auch eine neue Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden müsse, erklärten Kretschmann und Schmid. Dann der entscheidende Satz: „Sofern die weiteren Projektpartner zum Schluss kommen, den Kombivorschlag, im Sinne eines möglichen Kompromisses, weiter zu verfolgen, wird sich auch die Landesregierung daran beteiligen.“
Ein solcher Konsens erscheint ausgeschlossen. Denn ähnlich wie die SPD haben auch die anderen Projektpartner den Vorschlag bereits abgelehnt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wies den Ansatz schon kurz nach dessen Veröffentlichung als „uralt“ zurück.
Und auch die Deutsche Bahn sprach sich am Mittwochabend dagegen aus. Nach ihrer Kalkulation würde der Kombibahnhof 5,2 Milliarden Euro und damit über 1 Milliarde mehr kosten als der Tiefbahnhof S 21 nach offiziellen Rechnungen.
Die Kosten lägen vor allem deshalb so hoch, weil trotz Tunnelbauten auch das vorhandene Gleisvorfeld für rund 1,3 Milliarden Euro saniert werden müsste, erklärte Projektsprecher Wolfgang Dietrich.
Entsprechend diesen bisherigen Äußerungen frohlockte die FDP-Opposition am Donnerstag: „Die Entscheidung des grün-roten Koalitionsausschusses ist zu loben, denn damit ist der Geißler-Vorschlag tot“, sagte der Chef der Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke.
Die Landesregierung hofft hingegen noch auf einen Meinungsumschwung bei den Partnern: „Die bisherigen Äußerungen einzelner Projektpartner könnten, aufgrund der Kürze der Zeit, nur auf der Grundlage erster Prüfungen entstanden sein.“ Nun sollten die Partner eine vertiefte Prüfung in verkehrlicher, finanzieller und planungsrechtlicher Hinsicht vornehmen. Dafür haben sie bis Ende August Zeit.