Biomüll verflüchtigt sich

Müll trennen lohnt sich doch: Statt ihn Landwirten als Dünger zu verkaufen, will die BSR den Inhalt der Biotonnen ab 2010 in Wärme und Strom verwandeln. Die Gasag will noch schneller handeln

VON NANA GERRITZEN

Es klingt wie der alte Traum, aus Mist Gold zu machen. Nur entstehen in diesem Fall aus Abfällen Strom und Wärme. Und das geht so: Pflanzliche Rohstoffe, beispielsweise der Inhalt aus Biotonnen, werden in einem luftdichten Behälter und unter der Zugabe von bestimmten Bakterien Gär- und Fäulnisprozessen ausgesetzt. Dabei wird ein Biogasgemisch aus Methan, Kohlendioxid und Wasserdampf frei, das zur Wärme- und Stromerzeugung genutzt werden kann. Die vergorenen Reststoffe eignen sich als Düngemittel für die Landwirtschaft. Den wirtschaftlichen Nutzen dieser Müllverwertung erkennt nun auch die Berliner Stadtreinigung (BSR).

„Es ist der optimale Zeitpunkt für den Wechsel“, erklärt BSR-Sprecherin Sabine Thümler. Habe man bisher nur extra angebaute Energiepflanzen, wie Mais, in Biogas umwandeln können, so ermöglichten neueste Technologien nun die Verwertung vermischter Rohstoffe aus der Braunen Tonne. Die Anlage soll 2010 den Betrieb aufnehmen und jährlich rund 53.000 Tonnen Biomüll vergären.

Zu Zeiten des Klimawandels wird umweltfreundliche Energiegewinnung äußerst lukrativ. „Gegenüber der bisherigen Weiterverwendung des Biomülls als Biodünger ist die Erzeugung von Gas eine höherwertige und günstigere Alternative“, sagt Thümler. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz erhalten Unternehmen, die auf erneuerbare Energien wie Biogas setzen, Geld vom Staat. „Ohne diese Subventionierungen wären Biogasanlagen noch nicht wirtschaftlich“, bemerkt Gasag-Sprecher Klaus Haschker. Die Kosten für die vergleichsweise komplizierte Gärung und den Anlagenbau stünden in keinem Verhältnis zu den Einnahmen. Außerdem sei die Biogas-Herstellung aus dem Rohstoffmix der Braunen Tonne um einiges aufwändiger als die Herstellung aus extra angebauten Energiepflanzen.

Auf der anderen Seite erschwert das Inkrafttreten der neuen Luftreinhaltungs-Vorschrift die Herstellung von Biodünger. Um Anwohner vor der Geruchsbelästigung der Düngerproduktion zu schützen, müsste die BSR neue Kompostierungsbehältnisse anschaffen. So lohnt sich die Umsattlung von Dünger auf Gas doppelt.

Noch vor der BSR-Biogasanlage geht nächstes Jahr die erste Biogasanlage der Gasag in Rathenow ans Netz. „Anders als bei dem BSR-Projekt wird bei dieser Anlage aus eigens für die Energieproduktion angebautem Mais Biogas in Erdgasqualität erzeugt werden“, erzählt Haschker. Das „saubere“ Gas soll direkt ins berlin-brandenburgische Gasnetz und an Erdgas-Tankstellen gehen. Bis 2020 will die Gasag bis zu 15 Prozent ihres Gases aus aufgewertetem Biogas beziehen.

Ob das von der BSR produzierte Biogas in Strom oder Wärme umgesetzt wird, ist noch unklar. „Das hängt auch vom Standort der Anlage an“, erklärt Thümler. Der stehe noch nicht fest. Der vergorene Rest soll jedoch wie bisher als Düngemittel in der Landwirtschaft verwendet werden. In einem Forschungprojekt von BSR, Gasag und dem Fraunhofer-Institut untersuche man außerdem derzeit die Möglichkeit, Biogas aus Müll auch zu Erdgasqualität aufzuwerten.

Für Gaskunden soll jedoch alles beim Alten bleiben. „Die Nutzung des Biogases merkt der Endverbraucher gar nicht – auch nicht finanziell –, weil das regenerative Gas gemeinsam mit dem konventionellen Erdgas ins Netz eingespeist wird“, erklärt Haschker. Dafür kann man sich allerdings auch künftig nicht aussuchen, ob man mit umweltfreundlichem Biogas versorgt wird oder nicht.