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Archiv-Artikel

Kolonialistische Sprachhierarchie

betr.: „Türken bleiben draußen“, taz vom 11. 7. 07

Das Titelthema gibt mir über den Tag hinaus zu denken. Zunächst wird sicherlich aktuelle Politik gegen Einwanderer gemacht, dann aber wird auch ein Licht auf den kulturellen Aspekt der Globalisierung geworfen. Da hat die BRD-Regierung ein „Zuwanderungsgesetz“ verabschiedet, das als „Entgegenkommen“ gewertet wird, weil Einwanderer von außerhalb der EU-Altländer „schon“ nach sechs statt nach acht Jahren eingebürgert werden. Ist ja toll, nicht acht Stunden vor der Tür im Regen zu stehen, sondern „nur“ sechs!

Andererseits hat der Münchener Oberbürgermeister Ude ganz richtig gesagt, dass es schon sein sollte, dass Einwanderer Deutsch können, schon allein, damit ihre Kinder nicht im sprachlichen Ghetto aufwachsen und so um alle Integrationschancen gebracht werden. Recht hat Herr Ude unbedingt auch damit, dass es unerträglich ist, die Erwartung, Deutsch zu lernen, mit ideologisch aufgeladenen Begriffen wie „Leitkultur“ zu belasten.

Wenn diese Selbstverständlichkeit, die Landessprache zu erlernen, von Englisch sprechenden Einwanderern (seien es nun Muttersprachler oder nicht) ausdrücklich nicht verlangt wird, ist dies nicht nur verfassungswidrig, weil es eklatant gegen das Gleichheitsgebot (Art. 3 GG) verstößt, wonach niemand wegen seiner Sprache diskriminiert werden darf, sondern es bedeutet auch die gesetzliche Festschreibung einer kolonialistischen Sprachhierarchie, die im 19. Jahrhundert schon unerträglich rassistisch war und das gesamte 20. Jahrhundert überdauert hat. ORTWIN ZEITLINGER, Berlin