: „Wir müssen uns bewaffnen, es gibt keine Alternative“
MEXIKO Der Protest radikalisiert sich. Von einem der 43 Studenten sind Knochen gefunden worden
BERLIN taz | Nach der Identifizierung eines der in Mexiko verschwundenen Studenten fordern die Angehörigen weiterhin Aufklärung über den Verbleib der Vermissten. „Märsche, Märsche und nochmal Märsche führen zu nichts“, sagte der Vater eines der jungen Männer am Sonntag, „wir müssen zu härteren Mitteln greifen“. Am selben Tag hatte der Generalstaatsanwalt Jesùs Murillo Karam bestätigt: Knochen, die auf einer Müllhalde gefunden wurden, können dem Studenten Alexander Mora zugeordnet werden.
Der 19-jährige Mora zählte zu der Gruppe von Lehramtsanwärtern, die am 26. September im Bundesstaat Guerrero von Polizisten und Mafia-Killern der „Guerreros Unidos“ angegriffen wurden. Sechs Menschen starben bei dem Überfall in der Stadt Iguala, 43 wurden von den Beamten festgenommen und der Bande übergeben. Hinter der Aktion stecken offenbar der örtliche Bürgermeister Luis Abarca sowie dessen Frau. Wie der Gouverneur des Bundesstaates, Àngel Aguirre, der das Paar ungestört hatte agieren lassen, ist Abarca Parteigänger der links genannten PRD.
Die Entführung sowie die Kooperation von Politikern und Kartellen hat Hunderttausende mobilisiert. In Acapulco besetzten sie den Flughafen, in mehreren Städten wurden Parteibüros und Regierungsgebäude niedergebrannt, am Samstag fand in Mexiko-Stadt erneut eine Großdemonstration statt. „Der Staat ist schuld“, sind die Aktivisten überzeugt und fordern den Rücktritt des Präsidenten Enrique Peña Nieto. Auch führende Oppositionspolitiker wie etwa Andrés Manuel López Obrador schließen sich dem an. Die Demonstranten sehen das skeptisch: Noch 2012 ließ sich der Politiker von Abarca und Aguirre als PRD-Präsidentschaftskandidat unterstützen.
Für viele Angehörige, Ayotzinapa-Kommilitonen und andere Aktivisten sind alle Parteien Ausdruck des korrupten „Mafia-Staates“. Schon in den vergangenen Jahren haben sich etwa in Guerrero zunehmend Menschen bewaffnet, weil sie keinem staatlichen Vertreter trauen. Das hat nun noch zugenommen. Bürgermilizen schützen derzeit die Fachschule Ayotzinapa. So wie der Vater des vermissten Carlos Iván bringen viele das Wort „Revolution“ ins Spiel. „Wir müssen uns bewaffnen, es gibt keine Alternative“, sagte er am Sonntag.
Bereits Anfang November hatte Generalstaatsanwalt Murillo drei Geständige präsentiert, deren Angaben mit dem jetzigen DNA-Befund übereinstimmen. Sie hätten die Studenten getötet, verbrannt und die sterblichen Reste auf eine Müllhalde gekippt, sagten sie. Dennoch hofft die Mutter des verschwundenen Marco Gómez González weiterhin darauf, dass ihr Sohn noch lebt. „Solange sie nicht aufgetaucht sind, wird es keinen Frieden geben“, stellte sie am Sonntag klar. WOLF-DIETER VOGEL