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Archiv-Artikel

Meister des Mülls

Laut einer Statistik des Umweltministeriums Baden-Württemberg ist Hamburg bundesweit Spitzenreiter in Sachen Müllproduktion. Das liegt vor allem an mangelnden Trennmöglichkeiten

von UTA GENSICHEN

Großstädte sind laut, anonym und schmutzig. Letzteres ist jetzt endlich sogar statistisch bewiesen worden. Denn glaubt man den Zahlen der am Freitag vorgestellten Umweltbilanz 2006 des baden-württembergischen Umweltministeriums, steht es schlecht um das Umweltbewusstsein der Hamburger.

Mit 369 Kilogramm Haus- und Sperrmüll pro Einwohner stehen diese nämlich auf Platz eins der Müllstatistik. Das Schlusslicht erreichen sie hingegen bei der Sammlung von Biomüll und Wertstoffen. Auf gerade einmal 120 Kilogramm bringt es der gemeine Hamburger im Jahr. Zum Vergleich: im Siegerland Rheinland-Pfalz sammelt jeder Einwohner 289 Kilogramm Küchen- und Gartenabfälle.

„Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen“, kommentiert Reinhard Fiedler, Pressesprecher der Hamburger Stadtreinigung, die Zahlen. So würden in Hamburg Haus- und Gewerbemüll nicht getrennt, sondern „in einer Tour“ eingesammelt. „Da bekommt man natürlich hohe Mengen zusammen“, sagt Fiedler.

Nicht zuletzt würden Großstädte wie Hamburg oder Berlin, mit 288 Kilogramm Müll pro Kopf auf Platz zwei der Statistik, schlichtweg mehr Abfälle produzieren „als auf dem platten Land“.

Indem er den Anteil der Gewerbetreibenden herausrechnet, ermittelt Fiedler indes eine andere Summe für die Müllproduktion der Hansestädter: 280 Kilogramm Haus- und Sperrmüll pro Kopf.

Auch in der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, Abteilung Abfallwirtschaft, schüttelt man den Kopf über die Zahlen aus Baden-Württemberg. So schreibt die Hamburger Abfallstatistik 2006 jedem Einwohner eine Müllmenge von rund 324 Kilogramm zu. „Hier schlägt der Anteil des Kleingewerbes durch“, sagt Bernt Matthes aus der Abteilung für Siedlungsabfälle. Den hohen Anteil an Gewerbeabfall bezeichnet er als „großstadtspezifisch“.

Im Umweltministerium Baden-Württemberg dagegen versteht man die Aufregung nicht. „In unseren Zahlen ist der Gewerbemüll nicht enthalten“, sagt Rainer Gessler von der Pressestelle. Demnach sind die Hamburger dann doch offiziell bestätigte Hausmüllsünder.

Doch mangelndes Umweltbewusstsein kann Reinhard Fiedler in Hamburg nicht feststellen. Zwar rangiert man laut Statistik auf dem letzten Platz in der Kategorie Biomüll. Doch weiß Fiedler, dass den Großstädtern das Prinzip Abfalltrennung durchaus vertraut ist. „Hier wird ausgesprochen viel gesammelt“, sagt er.

Im Vergleich zum eher ländlichen Baden-Württemberg schneiden die Hamburger relativ schlecht ab. So wanderte 2005 die Eierpackung im Süden mehr als dreimal so häufig in die Biotonne als in Hamburg. Und auch Wertstoffe wurden etwa doppelt so oft entsorgt wie in der Hansestadt.

Der Grund dafür ist vor allem in der unterschiedlichen Erschließung der Stadtteile zu suchen. In Hamburg ist „nur der grüne Gürtel an die Bio-Sammlung angeschlossen“, sagt Fiedler. Was also andernorts in die braune Tonne wandert, wird von einem Großteil der Hamburger mangels Alternative in den Hausmüll sortiert.

Die hohen Zahlen der vorliegenden Statistik sind daher nicht falsch – stellen aber eher den Mangel an Trennmöglichkeiten unter Beweis, denn den Unwillen der Hamburger Bevölkerung, sie zu nutzen.