Obdachlose im Nieselregen

Am Spielbudenplatz sollen Sprinkleranlagen die Bühnen säubern, auf denen Obdachlose campieren. Die Obdachlosen-Initiative „Hinz & Kunzt“ fordert stattdessen den Einsatz von Sozialarbeitern

Der Spielbudenplatz ist ähnlich wie der Domplatz über Jahre hinweg vernachlässigt worden. Auf der großen Freifläche längs der Reeperbahn konnten zwar alle möglichen Veranstaltungen stattfinden, unbespielt war der Platz aber nur eine riesige Sandwüste. Um das zu ändern, veranstaltete die Stadt einen Ideenwettbewerb, in dem sich der Vorschlag durchsetzte, den Platz mit Kunst von Niki de St. Phalle zu gestalten. Bis das Projekt endlich umgesetzt werden sollte, war die Künstlerin verstorben und diese Chance vertan. Der damalige Bausenator Mario Mettbach (Schill-Partei) zauberte daraufhin den New Yorker Künstler Jeff Coons aus dem Hut. Dessen Idee, riesige Gummitierchen an gewaltigen Kränen aufzuhängen, wurde nach einer aufgeregten Debatte verworfen. Die jetzige Gestalt des Platzes geht wieder auf einen Wettbewerb zurück. Der Umbau war im Juni 2006 nach 8 Monaten Bauzeit abgeschlossen. Reeperbahn und Spielbudenplatz wurden für 9,7 Millionen Euro geliftet. Gleichzeitig wurde der Platz an die Betreiber der dort liegenden Lokale übergeben. Sie haben sich verpflichtet, gemeinsam für ein ansprechendes Programm zu sorgen.  KNÖ

VON DANIEL WIESE

Die Betreiber des Spielbudenplatzes halten an ihren Plänen fest, die beiden großen Bühnen mit Sprinkleranlagen zu säubern. Die Zustände dort seien zeitweise „unerträglich“, schreibt Corny Littmann von der Spielbudenplatz-Betreibergesellschaft in einer Stellungnahme. Auf den Bühnen werde nicht nur übernachtet, „es wird auch uriniert, es werden Getränke verschüttet etc.“.

Damit hat sich der als tolerant geltende St. Pauli-Präsident und Chef des Schmidt Theaters in einen Streit eingeschaltet, der durch einen Artikel in der Hamburger Morgenpost ausgelöst worden war. Die Bühnen dienten „als Schlafstätte für Obdachlose“, hatte die Zeitung berichtet und die Installation der Sprinkleranlagen als vollzogen gemeldet. Sie würden „unvermittelt angehen“ und sollten „die Schlafenden vertreiben“ – mit bisher allerdings „mäßigem Erfolg“.

Die Obdachlosen-Initiative „Hinz & Kunzt“ hatte prompt protestiert: Auf dem Kiez seien Obdachlose „jetzt auch nicht mehr erwünscht. Wo sollen sie denn hin?“, hieß es in einer Erklärung. Falls die Betreiber mit den Obdachlosen ins Gespräch kommen wollten, könne man behilflich sein.

Auf Gespräche hat der zuständige Platzmanager allerdings keine große Lust mehr. „Drei Monate, seit Anfang April, haben wir es mit Sprechen versucht“, sagt Jochen Bohnsack. Er habe auf die Leute eingeredet, „dass sie ihren Müll wieder wegnehmen“. Ein Erfolg habe sich nicht eingestellt.

Die Bühnen würden „als Wohnquartier missbraucht“, sagt Bohnsack. Falsch sei es aber, wenn die Mopo schreibe, dass die Sprinkleranlagen die Leute vertreiben sollten. „Wir setzen die Anlage nicht gegen Menschen ein.“ Ihr Betrieb sei „völlig gefahrlos“, vergleichbar einen „leichten Nieselregen“. Mit Schildern solle auf die Anlage hingewiesen werden, dort solle auch stehen, wann sie angeht.

Seit die vom Energiekonzern Vattenfall gesponserten Bühnen vor einem guten Jahr eingeweiht wurden, sind sie gelegentlich beim Schlager-Move oder für andere Konzerte genutzt worden. Doch meistens stehen sie leer –wenn sie nicht „den ganzen vollsteifen Kiezbersuchern“ (Platzmanager Bohnsack) als Liegefläche dienen. „Punks und Obdachlos aus ganz Europa“ würden auf die Reeperbahn kommen, berichtet Bohnsack. Gegen den Müll könne die Sprinkler-Anlage zwar nichts ausrichten, wohl aber gegen „den Uringeruch“.

Man werde die Anlage nicht in Betrieb nehmen, ohne die Betroffenen „ausführlich und persönlich“ darauf hinzuweisen, beschwichtigt Corny Littmann in seiner Stellungnahme an das Obdachlosenmagazin Hinz & Kunzt. „Wir haben keine Probleme damit, dass Obdachlose auf der Reeperbahn nächtigen.“

Unter einer Sprinkler-Anlage würde kein Obdachloser übernachten, kontert der Sozialarbeiter von „Hinz & Kunzt“, Stephan Karrenbauer. Das habe sich bei „Peek&Cloppenburg“ in der Hamburger Innenstadt gezeigt, wo auch ein Sprinkler-Anlage installiert wurde. „In eine nasse Ecke legt sich keiner rein“, sagt Karrenbauer. Er schlägt vor, einen Straßensozialarbeiter hinzuschicken. In der Innenstadt habe man damit gute Erfolge erzielt.

Noch ist die Anlage auf dem Spielbudenplatz allerdings gar nicht in Betrieb. Man befinde sich in der „Testphase“, sagt Platzmanager Bohnsack. Getestet werde, ob die Bühne durch das automatische Besprengen sauberer werde, „oder ob man wie bis jetzt Hand anlegen muss mit dem Wasserschlauch“.

Derzeit ist die Testphase allerdings ausgesetzt – Punks hätten die Schilder abmontiert, auf denen vor der Anlage gewarnt wird, berichtet Platzmanager Bohnsack. Er bleibe aber dran.