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■ Mr. Nice Großbritannien 2010, R: Bernard Rose, D: Rhys Ifans, Chloe Sevigny Darf ein internationaler Drogenboss so sympathisch dargestellt werden? Darf seine Geschichte so ausschließlich wie hier aus seiner Perspektive erzählt werden, wobei der Aufstieg mit viel Schwung und Witz gefeiert und Verhaftungen, Prozesse und Haftzeiten eher sportlich als Berufsrisiken gesehen werden? Um dieses Dilemma weiß natürlich auch der Regisseur und Drehbuchautor Bernhard Rose und so rahmt er die erzählte Biografie durch zwei kurze Sequenzen an Anfang und Ende, in denen deutlich wird, dass der Protagonist hier selber erzählt. Tatsächlich ist Howard Marks inzwischen ein in Großbritannien mit seinen One-Man-Comedy-Shows sehr erfolgreicher Performer, und genauso sehen wir ihn in der ersten Einstellung des Films, von hinten alleine auf einer Bühne stehend und erzählend. Von da an wird der Rest des Films eine einzige große Rückblende und die Autorität der Erzählstimme von Marks im Off wird dadurch relativiert, dass man genau verorten kann, in welcher Situation er seine Lebensgeschichte so unterhaltsam wie möglich darbietet.
Als ein sehr intelligenter junger Außenseiter aus Wales kam er in den noch ausschwingenden frühen 70’s nach Oxford und traf dort die üblichen Kiffer, in denen er sofort seine Seelenverwandten erkannte. Regisseur Bernard Rose nutzt hier den seit „The Wizard of Oz“ immer noch erstaunlich wirkungsvollen Trick, das Leben vor seinem ersten Joint in Schwarzweiß ablaufen zu lassen und es dann mit dem ersten Zug in poppigen Farben explodieren zu lassen. Nach dem Studium hatte Marks sich mit braver Freundin und Bausparvertrag ein Leben als Lehrer eingerichtet, bis er einem seiner Freunde, der in seinem VW-Käfer Haschisch von Deutschland nach England schmuggelte, aus einer Klemme helfen musste und dabei merkte, dass hier seine wirklichen Talente und seine Berufung lagen. Sein Aufstieg zum erfolgreichsten Drogenschmuggler seiner Zeit inszeniert Rose als eine Reihe von absurden Abenteuern, bei denen Howard sich sowohl der Hilfe eines abgedrehten IRA-Anführers wie auch eines alten Oxford-Kumpels, der ihn als Agent des MI6 anwirbt, bedient. Er entwirft immer absurdere Strategien, um das Haschisch zuerst nach England und dann in die USA zu schmuggeln, und nachdem er das erste Mal von der Drogenfahndung geschnappt wurde, inszeniert er seine eigene Entführung und macht mit einer neuen Identität als Mr. Nice munter weiter. Da er als Purist nie mit Heroin oder Kokain handelt, und als ein sanftmütiger, fairer Verbrecher seinem neuen Namen alle Ehre macht, ist er natürlich der Sympathieträger des Films, und Rhys Ifans spielt ihn dann auch mit einer sehr britischen Mischung aus Lässigkeit und Übermut, deren Charme sich der Zuschauer kaum entziehen kann...
Zum Glück ersparen uns Marks und Rose die üblichen Szenen des tiefen Falls und der folgenden Reue des Übeltäters, denn als solcher sieht sich Marks immer noch nicht. Stattdessen gibt es eine Szene, in der ein amerikanischer Richter ausführt, dass für ihn das Verbot von Marihuana so sinnlos ist wie die Prohibition.
Der Film läuft Do-Sa/Mo um 22.30 Uhr im Apollo Studio in Hannover