Wie Sie sehen, sehen Sie nichts

FÖRDERPREIS Kunst soll heute politisch sein. Aber was kann ein Künstler bewirken? Julian Öffler und Stefan Panhans verweigern sich in ihren neuen Arbeiten einer Antwort

Stefan Panhans spielt im Titel seines Films auf ein Stück von Elfriede Jelinek an, in dem Sport zum Krieg wird

VON RADEK KROLCZYK

Eigentlich geschieht rein gar nichts in Stefan Panhans’ neuem Video „Noch ein Sportstück“. Oder äußerst wenig. Der Hamburger Künstler hatte mit dem Konzept für sein Werk den 22. Bremer Videokunst-Förderpreis gewonnen. Den zweiten Preis bekam Julian Öffler für sein Skript zu „Reise nach Kiew“. Auch hier passiert nur wenig. Langweilig werden die Filme dadurch nicht. Aber äußerst absurd. Das Schöne und Lustige und Bedrohliche an beiden Filmen ist die Abwesenheit von Dingen, die man vielleicht erwartet hätte.

Gezeigt werden die Siegerfilme des letztjährigen Ausschreibens zurzeit in der Städtischen Galerie im Buntentor. Bei diesem Preis werden keine fertigen Filme, sondern Skripte prämiert. Die Preisgelder sind für die Realisation gedacht. Daneben sind in der Ausstellung noch einige ältere Arbeiten der beiden Videokünstler zu sehen. Eine kleine Werkschau quasi. Nicht weniger verstörend als die Preisfilme.

„Noch ein Sportstück“ läuft im Loop als einzelner Film in einem großen abgedunkelten Saal. Auch auf der Leinwand ist es finster. Ein Paar Leuchtstrahler heben und senken sich automatisch. Dazwischen bewegt sich eine eigenartige Apparatur. Man hört ihr Klappern, oder meint zumindest, sie zu hören. Eine Kamera, von der es heißt, sie hätte ihre Herkunft im Militär, umkreist die pochende Maschine und liefert uns ihre Bilder. Es scheint, als würde sie nach etwas suchen. Ist „Seek and Destroy“ ihre Mission?

Man fühlt sich, wie vor einer Filmlandschaft, in der eine Handlung zu erwarten wäre. Die Lampen und die Kamera setzen Spots, an denen irgendetwas passieren müsste. Orchestriert wird das Ganze von einer Collage unterschiedlicher Schnipsel Zeichentrickmusik. Auch sie streut dramaturgische Fakes. Irgendwann erkennt man, dass diese Landschaft ein automatisiertes Fitnessgerät ist. Die Übungen für Arme und Beine macht es eigenständig. Aus Mangel an Akteuren wird das Setting selbst zum Akteur: Beleuchtung, Kamera und Kulisse erwachen zum Leben, weil sonst nichts und niemand mehr lebt.

Panhans spielt im Titel auf ein Stück von Elfriede Jelinek an, in dem Sport zum Krieg wird – mit den Aspekten der körperlichen Verausgabung und Brutalisierung oder der Massenbildung bei Großereignissen. Als Subtext von Panhans’ Film scheint eben genau diese Schnittstelle auf, an der sich bloßes Sportgerät in eine bedrohliche Maschine verwandelt. Sport und Krieg werden so zu allgemeingültigen Prinzipien.

Der Kunststudent Julian Öffler hat sich gemeinsam mit seiner Kommilitonin Irene Strese zu Beginn dieses Jahres auf den Weg nach Kiew begeben. Beide studieren in Bremen in der Klasse der bekannten Videokünstler Andree Korpys und Markus Löffler. Politische Themen stehen hier auf der Tagesordnung.

Damals stand der Majdan im Zentrum des öffentlichen Interesses – zumindest in Deutschland. Öffler und Strese begaben sich an den Ort, an dem sich Profiboxer, Rollstuhl fahrende Oligarchinnen und Wehrmachtsfans die Hände reichten. Gleichzeitig schien es so, als würde auf dem Majdan gerade die Zukunft Europas verhandelt. Was hatten die beiden Künstler dort verloren? Nichts. Und deshalb diese Reise.

Man sieht Öffler auf seiner Fahrt, erst im Zug, dann im Flugzeug, schließlich im Taxi. Sein Ziel: ein bekanntes Hotel am Majdan. Kiews erste Adresse. Zu Zeiten der Unruhen haben sich einzig ein Paar Journalisten dort eingenistet – und die beiden Künstler. Irgendwann sieht man Öffler im Bademantel und mit Sonnenbrille auf dem Balkon des Hotels. Dann öffnet er eine Flasche Krimsekt und grinst. Während des gesamten Films verliert Öffler kein einziges Wort. Obwohl ihn Strese, die die Kamera hält, pausenlos mit Fragen malträtiert. „Was machst Du hier?“, „Bist Du ein politischer Künstler?“, „Kannst Du hier etwas bewirken?“, „Fühlst Du Dich jetzt besser?“ Da Öffler nicht antwortet, verbleiben die Fragen beim Zuschauer.

Kunst soll politisch sein. So ziehen heute viele Künstler los und machen irgendwas Politisches. Politische Kunst ist ein Reklamewort. Öffler macht sich darüber lustig. Was soll er auch bewirken? Als deutscher Künstler auf dem Majdan? Und auf welche Seite sollte er sich schlagen? Wer sind hier die Guten? Öffler weckt Erwartungen bei den Gutmenschen unter den Kunstinteressierten. Und enttäuscht sie. Er weiß nicht, was er in Kiew verloren hat. Wichtig ist nur, dass er da ist. Knapp 24 Stunden lang. Die er mit Nichtstun verbrächte. Wenn seine Mitreisende ihn ließe.

■ bis 25. Januar, Städtische Galerie