: Blauer Engel der Verbraucherschützer
Gerd Billen, 52, hat sich im Kreis gedreht: vom Verbraucherschützer über die Grünen zum Blauen Engel und die Wirtschaft zurück zum Verbraucherschutz, allerdings an vorderster Front FOTO: DAVID BALTZER/ZENIT
Wer weiß, was aus Gerd Billen geworden wäre, hätten die West-Grünen 1990 den Sprung in den Bundestag geschafft. Immerhin machte der nordrhein-westfälische Landesverband den damaligen Vorsitzenden der Verbraucherinitiative und Bonner Stadtrat zu einem seiner Spitzenkandidaten. Vielleicht wäre er irgendwann sogar Verbraucherschutz- oder Umweltminister geworden, so wie es Edda Müller, seine Vorgängerin im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), in Schleswig-Holstein war. Zugetraut hätte Billen sich das ganz gewiss. Denn was immer man dem 52-jährigen Ernährungswissenschaftler nachsagen kann, mangelndes Selbstbewusstsein gehört nicht dazu.
Doch es sollte nichts werden mit der Politkarriere. Die Grünen scheiterten an der Fünfprozenthürde und der „Realo“ Billen verließ 1991 enttäuscht die Partei, weil diese ihre ökologischen Ziele nicht ernst nähme und „nicht entschlossen genug Abschied nehmen will von überholten linken Politikvorstellungen“, wie er seinerzeit der taz sagte. Billen blieb nichts anderes, als sich weiter aufs Außerparlamentarische zu konzentrieren: Von 1993 bis 2005 arbeitete der Vater dreier Töchter als Bundesgeschäftsführer für den Nabu. Dann wechselte er überraschend in die Wirtschaft: Billen, der jahrelang auch Mitglied und Vorsitzender der Jury für das Umweltzeichen „Blauer Engel“ war, heuerte als Leiter des Bereichs Umwelt- und Gesellschaftspolitik bei der Hamburger Otto Group an.
Jetzt kehrt Billen zurück zu seinen Wurzeln. Denn an diesem Mittwoch übernimmt er den Vorsitz jenes Verbands, in dem die von ihm 1985 gegründete Verbraucherinitiative aufging: den 2001 gegründeten Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv. In der Pillbox an der Berliner Kochstraße, dem Sitz des vzbv, dürfte nun ein etwas anderer Führungsstil einziehen. Edda Müller, die die vzbv seit der Gründung geleitet und nun die Pensionsgrenze erreicht hat, hat die Organisation straff geführt und ist dabei auch Konflikten nicht aus dem Weg gegangen. Von Billen erwarten Beobachter nun eine eher sanftere Art der Führung. Er gilt als umgänglicher Gesprächspartner, als guter Zuhörer – und als rheinische Frohnatur. „Man braucht Seriosität, Solidität, Verlässlichkeit, und gleichzeitig darf man keine Beißhemmung haben“, gab Müller ihrem Nachfolger in einem Interview mit auf den Weg. Billen freut sich auf die neue Aufgabe: Er steige wieder in ein Themenfeld ein, „das mich persönlich sehr interessiert und bei dem ich auch sehe, dass in den letzten 20 Jahren sehr viel passiert ist“. Verbraucherpolitik habe heute einen ganz anderen Stellenwert als in den 80ern. „Insofern ist es auch etwas Neues.“ PASCAL BEUCKER