DER WEIHNACHTSMANN : Kein guter Tag
Fup hat einen Wunschzettel gemalt. Ich kann nichts erkennen, verlasse mich aber ganz auf den Weihnachtsmann, der in diesen Dingen bestimmt die nötige Kompetenz und Erfahrung hat. Aber bevor wir uns auf den Weg zur Residenz des Weihnachtsmanns machen, der die Wunschzettel im Erdgeschoss des KaDeWe entgegennimmt, brauche ich dringend einen Latte macchiato im Brandi. Unterwegs kommt uns ein Schwall Touristen entgegen, und ich verfalle ins Grübeln darüber, warum Leute als Reisegruppe durch die Straßen laufen. Vermutlich, um möglichst wenig zu erleben, was ja passieren könnte, ist man allein unterwegs.
Mit dem Kaffee in der Hand gehe ich nach draußen, wo Fup auf mich wartet, und werde von einem kleinen untersetzten Mann angerempelt. Der Kaffee schwappt über. Der Mann setzt seinen Weg fort, ohne sich zu entschuldigen. Ich sage „Arschloch“ und Fup fragt: „Was ist mit dem Mann?“ Das würde ich auch gern wissen. Um die Ecke vor unserer Wohnung und mitten auf der Straße hält ein Porsche mit offenem Verdeck an, ein Porsche-Mann steigt aus und fotografiert das Nachbarhaus. Wahrscheinlich hat er es gerade gekauft. Im Porsche sitzt eine blonde Frau und guckt gelangweilt. Eine Frau mit Strickmütze und Pelzmantel sagt zum Porsche-Mann: „Hau ab, du Aasgeier!“ Der Aasgeier haut tatsächlich ab.
Im KaDeWe sitzt ein traurig guckender Weihnachtsmann. Er ist vom KaDeWe entlassen worden und dies ist sein letztes Weihnachten. Um ihn herum stehen viele Leute und fotografieren ihn. Er ist ganz in Weiß. Früher war er mal rot. Fup gibt ihm seinen Zettel. Der Weihnachtsmann wirft einen müden Blick darauf und sagt „Soso!“ Er steckt den Zettel in den Wunschzettelkasten aus Plexiglas. „Willst du dich auf mein Knie setzen?“, fragt er Fup, damit ich ein Foto machen kann. Aber ich habe keine Kamera dabei.
KLAUS BITTERMANN