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Archiv-Artikel

Freilicht-Rockmuseum

FESTIVAL Am Anfang stand die lautstarke Unterstützung der Jugendzentrums-Bewegung. Auch nach über 30 Jahren hat das unkommerzielle Wutzrock-Festival am Hamburger Eichbaumsee nichts von seinem kämpferisch-alternativen Charme verloren

Immer noch versteht sich das Wutzrock als Festival der Gegensätze

VON ROBERT MATTHIES

Es ist ein kleines Museum der Protestkultur, der Jugendszenen, der Musikgeschichte und der Kultur des Feierns: Fotos aus mehr als 30 Jahren sind am Wochenende auf der Wiese am Hamburger Eichbaumsee direkt neben dem Infozelt des Wutzrock-Festivals zu sehen. Und während der grau melierte Rocker vielleicht ein wenig stolz und wehmütig in Erinnerungen an längst vergangene Tage schwelgt, wird der Nachwuchs nebenan über all die beeindruckenden Frisuren und Moden ebenjener vergangenen Tage staunen – und vielleicht auch darüber, was da überhaupt gefeiert wurde.

Denn ersonnen wurde das so würdevoll gealterte „Umsonst und draußen“-Festival 1978 zur Unterstützung der Jugendzentrumsbewegung „JUZ, aber dalli!“: Weil es im ganzen Stadtteil Bergedorf nicht ein einziges Haus für die Jugend gab, fand im Sommer 1979 das erste Wutzrock als 2.000-köpfiger, lautstarker Protest im Billtal-Stadion statt. Und der Plan ging auf: Mit der Feier ging man den Verantwortlichen im Rathaus derart auf den Wecker, dass der „Verein für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum in Bergedorf“ 1980 als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt wurde. Ein weiteres Festival und etliche kleinere „Wutzröckchens“ später war der Kampf um ein eigenes Jugendzentrum schließlich gewonnen. Die Bergedorfer Jugend hat das – anders als damals vielleicht erhofft – allerdings nicht davon abgehalten hat, bis heute weiter zu wutzrocken.

Mal mehr und mal weniger erfolgreich ging es zunächst von Jahr zu Jahr an einen anderen Ort, seit dem Ende der Achtziger aber finden sich die Bühnen und Buden alljährlich zwischen Dove-Elbe und dem Badestrand des Eichbaumsees in Allermöhe. Und es ist nicht zuletzt dieser Ort, der das Wutzrock stetig weiter wachsen ließ. Mittlerweile finden sich vor zwei Bühnen jedes Jahr rund 15.000 BesucherInnen ein, man verfügt über ein funktionierendes Pfandsystem und ist stolz, dass auch mal illustre, international bekannte Bands vorbeischauen.

Große Namen – dieses Jahr spielen immerhin die Punk-Urgesteine Slime – stehen hier allerdings auch nach 33 Jahren immer noch nicht im Vordergrund. Denn neben Musik und der Lage direkt am Badestrand hat das Wutzrock noch mehr zu bieten. Jedes Jahr gibt es ein Kinderfest, Kleinkunst, Theater, ein Fußballturnier – und das legendäre Sackhüpfen.

Dass das Festival sich dabei bis heute seinen kämpferisch-alternativen Charme erhalten hat, liegt aber vor allem daran, dass von den zentralen Grundsätzen nicht abgewichen wird. Immer noch versteht man sich als Festival der Gegensätze, möchte bunt, leise und laut, jung und alt, antifaschistisch und trotz Unkommerzialität professionell sein. Noch immer keinen Cent muss berappen, wer sein Zelt auf den Wiesen aufbaut, den Bands lauscht oder sein Auto parkt. Möglich wird das durch die leidenschaftliche Arbeit eines gemeinnützigen Vereins, das unermüdliche Ehrenamt unzähliger HelferInnen – und durch MusikerInnen, die wissen, dass ihr Engagement für ein unkommerzielles Festival unbezahlbar ist.

■ Hamburg: Fr, 26. 8. bis So, 28. 8., Eichbaumsee, Moorfleeter Deich, www.wutzrock.de