REDEN IST SOO NEUNZIGER: Spam-Beziehung
Mittagszeit und draußen Dauerregen. Das taz-Café ist voll, ich finde noch einen winzigen Slot für mich und meine Suppe-plus-Salat, quasi auf dem Schoß eines jungen amerikanischen Pärchens. Zumindest halte ich die beiden für eins, und zwar mit ganz schlimmer Beziehungshierarchie. Sie, dunkelhaarig, viel Lipgloss, schaut kurz von ihrem Smartphone auf und befiehlt: „Hol mir ’ne Cola. Und was Leckeres zu essen.“ Ende der Durchsage.
Er (modischer Pony, Dackelblick) spurtet los. Wären sie kein Paar, würde er sich das wohl nicht gefallen lassen, denke ich. Oder ist das der normale Ton der Generation Facebook? Sie verschwindet jedenfalls hinter einem Vorhang aus fruchtduftendem Haar und tippt in ihr Display. Als er mit Cola und einer Empanada wiederkommt, knipst sie ein zerstreutes Lächeln an: „Thaaanks. What’s this?“ Die Antwort hätte sich der junge Mann auch sparen können, Madame hört sowieso nicht zu. Sie tippt. Er betrachtet sie ängstlich, sie rührt das Essen nicht an. „Magst du es nicht?“, fragt er schüchtern. Keine Reaktion.
Das Kommunikationsdesaster neben mir fängt an, mich nervös zu machen. Am liebsten würde ich der handysüchtigen Ziege auf ihre Vintage-Wildleder-Stiefeletten treten und sie anschreien: „Jetzt beachte ihn doch endlich!“ Da zückt auch er sein Handy und beginnt, endlose Buchstabenkombinationen zu tippen. Ihr Haarvorhang hebt sich. Gekrauste Stirn, „hör auf, mir dauernd Facebook-Nachrichten zu schicken, du spamst mir alles zu!“. Jetzt lächelt er zum ersten Mal. Tippt wieder. Bis sie seufzt, das Haar aus dem Gesicht streicht und endlich in ihre Empanada beißt. „Ja, schon klar, jetzt ist es kalt.“ Nun schmeckt es mir auch wieder. Als ich aufstehe, wünsche ich dem jungen Mann noch ganz laut einen schönen Tag. Er lächelt dankbar, sie kräuselt die Nase und tippt wieder. NINA APIN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen