schulschluss – eine dokumentation: Ein lehrreicher Versuch
Etwas fehlt. Auf Satellitenbildern im Internet hat die Kastanienallee 82 in Prenzlauer Berg ein graues, frisch saniertes Flachdach. Was fehlt, entdeckt nur, wer das Buch „Schulschluss“ daneben legt. Es zeigt das Gebäude aus der Luft. Auf dem Dach leuchten die Ziffern „– 72,81“.
„Schulschluss“ ist die Dokumentation eines gleichnamigen Kunstprojektes, das sich mit den Potenzialen des Gebäudes auseinandersetzte. Die roten Zahlen auf dem Dach waren eins der vielen Ergebnisse des Projektes. Halb Tagebuch, halb Katalog bilanziert die Dokumentation die mühsame Arbeit an einer Schule in Abwicklung. Sie zeigt die Inspiration von Kunststudenten und Hauptschülern, Stadtplanern und Anwohnern, Hochschuldirektoren und Schulleiterinnen. Und sie erzählt letztlich das Scheitern einer Idee – an der Angst von Bezirkspolitikern in Zeiten leerer Haushaltskassen, die jede Kreativität verhinderte.
Vor fünf Jahren war absehbar, dass die Gustav-Eiffel-Oberschule aus der Kastanienallee ziehen würde. Ein ideales Feld für Wolfgang Krause. Der hatte sich als Betreiber der Galerie „O Zwei“ in der benachbarten Oderberger Straße mit in den Stadtraum eingreifenden Ausstellungen einen Namen gemacht. 2002 war Krause Dozent an der Kunsthochschule Weißensee. Er begeisterte die Schulleiterin für seine Idee: „Die Institution Kunsthochschule als Virus in der Institution Oberschule“. Weil sich der Umzug jahrelang verzögert, grassierte der Virus bis 2005. Schüler waren so begeistert, dass sie auch nach ihrem Abschluss wiederkamen. Nachbarn entdeckten den riesigen Hof im Blockinnern. Und eine Bürgerinitiative wollte das Areal als Zentrum für selbstständige, kooperative Bildung und Arbeit nutzen. Das aber, befanden die zuständigen Bezirkspolitiker, sei ja Gewerbe. Das Haus aber solle Lehranstalt bleiben – und wurde an die kommerzielle GLS verpachtet.
Während die das Haus sanierte und das Dach wieder grau strich, hat Krause an dem jetzt erschienenen Buch gearbeitet. Und so ganz lässt ihn die K 82 auch danach nicht los. „Ich geh oft in ‚Die Schule‘ “, sagt der Künstler. Er meint das gleichnamige Café im Erdgeschoss. Dort, so Krause, sei es immer so schön leer.
GEREON ASMUTH
Wolfgang Krause, Peter Müller (Hg.): „Schulschluss“. Vice Versa Verlag, Berlin 2007, 18 €
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