: 300 Kilometer Ruhe
Vom Kirchenfernen bis zum Elitepilger: Immer mehr Wanderer entdecken den vor zwei Jahren eingerichteten Pilgerweg zwischen den beiden Klöstern Loccum in Niedersachsen und Volkenroda in Thüringen. Ab 2008 bildet die Kirche eigens Pilgerbegleiter aus
Die letzten Wochen haben der evangelischen Kirche keine sonderlich guten Nachrichten gebracht. Einerseits attestierte ihr der Papst mehr oder minder Sektenstatus, andererseits musste ihr der Anklang, den der Dalai Lama fand, noch einmal das begrenzte Interesse an ihrem Vorsitzenden, Bischof Huber, vor Augen führen. Um so erfreulicher, dass die Landeskirche Hannover ein Projekt vorweisen kann, das nachweislich Freunde findet: Den Pilgerweg zwischen den Klöstern Loccum und Volkenroda.
Der wurde 2005 auf Anregung des Journalisten Jens Gundlach eröffnet, der die 300 Kilometer lange Strecke gewandert war und anschließend ein Buch darüber veröffentlicht hatte. Anders als beispielsweise der in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen verlaufende Ökumenische Pilgerweg, der ebenfalls neu entdeckt wurde, ist der Weg zwischen dem niedersächsischen Loccum und dem thüringischen Volkenroda kein Teil des Jakobswegs, der nach Santiago di Compostela führt. Sondern es ist die Route, die mutmaßlich die Mönche des 1163 gegründeten Zisterzienserklosters Volkenroda nahmen, um das Tochterkloster in Loccum zu besuchen.
Heute ist unter den Pilgern nach Auskunft des Projektkoordinators Andreas Litzke alles vertreten: vom Kirchenfernen bis hin zum frommen Elitepilger. Die Landeskirche Hannover führt keine Statistik über die Pilger, aber aus den Vornamen, die bei den Bestellungen der Wanderkarten und des neuen Wanderführers genannt werden, schließt Litzke, dass es eher Senioren sind, die sich auf den Weg machen. Und zwar zunehmend: Seit dem Frühjahr gehen täglich etwa zehn Anfragen nach Kartenmaterial bei der Landeskirche ein, und bei Andreas Litzke haben sich bereits 30 Pilger gemeldet, nachdem er vorgestern im Internet den neuen Wanderführer vorgestellt hat.
Das Pilgern selbst folgt denkbar einfachen Regeln: Man kann zu Fuß gehen, weite Strecken sind auch mit dem Rad befahrbar. Empfohlen werden Tagesetappen von höchstens 20 bis 25 Kilometern, schließlich geht es nicht um Streckenrekorde, sondern laut der Einführung im Internet um ein „Angebot, der Hast und der immer stärkeren Beschleunigung unserer Zeit Ruhe und Besinnung entgegenzusetzen“. Im Pilgerpass kann man sich die einzelnen Etappen an den einzelnen Stationen bestätigen lassen. Übernachtet wird in Gaststätten, aber auch in Kirchengemeinden, in den Klöstern und bei Privatleuten, wobei die Organisatoren darauf bedacht sind, auch günstige Quartiere zu suchen. Ab dem nächsten Jahr will die Landeskirche ehrenamtliche Pilgerbegleiter ausbilden, die bei Bedarf an der Seite einzelner Pilger und Gruppen sein sollen.
Für den geistlichen Ertrag sollen, neben dem, was die Pilger auf dem Weg selbst erfahren, die Angebote in den Klöstern sorgen. In Loccum, wo heute ein Predigerseminar der Landeskirche untergebracht ist, gibt es eigens eine Pilgerpastorin, während in Volkenroda mittlerweile die ökumenische Jesus-Bruderschaft lebt.
Das wachsende Interesse am Pilgern erklärt sich Projektkoordinator Litzke mit der neuen Popularität des Wanderns, seitdem es von Prominenten wie Michael Andrack entdeckt wurde, aber auch mit dem Buch von Hape Kerkeling, der den Jakobsweg entlang pilgerte. Dabei sind die meisten neu eingerichteten Pilgerwege nicht auf Initiative der Amtskirche, sondern durch das Engagement Einzelner entstanden. „Das Pilgern wurde in der evangelischen Kirche lange nicht als glaubensnotwendig angesehen“, sagt Andreas Litzke. Dabei sei es keineswegs eine spezifisch katholische, sondern eine Jahrhunderte alte Tradition des Christentums. „Die Kirche muss wieder lernen, solche Bedürfnisse wahrzunehmen.“ GRÄ
Weitere Informationen im Internet unter: www.evlka.de/pilgerweg