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Archiv-Artikel

Nirgends rauchen – oder überall

RAUCHVERBOT Nach der Klage einer Trucker-Gaststätte entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Zukunft des Hamburger Rauchergesetzes

Passivraucherschutzgesetz

Seit Anfang 2010 gilt in Hamburg folgende Gesetzesregelung:

■ Kleine Raucherräume abtrennen dürfen Betreiber von Kneipen, die kleiner als 75 Quadratmeter sind, keine Speisen anbieten und Jugendlichen unter 18 Jahren den Zutritt verwehren.

■ Verboten ist Rauchen hingegen bei Gastronomen, die ihre Gäste mit Essen bewirten.

■ Die zuvor geltende Regelung, wonach in Restaurants mit separaten Raucherräumen gequalmt werden durfte, wurde vom Karlsruher Bundesverfassungsgericht im Juli 2008 kassiert.

Nie in ihren 30 Jahren hinterm Tresen war Bärbel Uliczka so gefragt wie in den vergangenen zwei Tagen. Rund um die Uhr musste die Betreiberin der Trucker-Gaststätte in Altenwerder Medienanfragen beantworten, Gäste beglückwünschten sie. Denn Uliczka hat mit großer Wahrscheinlichkeit das Hamburger Rauchergesetz gekippt, das seit zwei Jahren gültig ist.

Die Wirtin fühlt sich ungerecht behandelt, weil sie in ihrer Gaststätte an der Autobahn 7 keinen Raucherraum einrichten darf, solange sie Speisen anbietet. Die meisten ihrer Gäste seien Lkw-Fahrer, sagt Uliczka, darunter viele starke Raucher. Könnten sie in ihren Pausen nicht rauchen, blieben viele Gäste weg. „Meine Umsatzeinbuße beträgt bis zu 40 Prozent“, sagt sie.

Das Hamburger Rauchergesetz trifft die Wirtin besonders hart, weil viele der Trucker-Fahrer auf nahe Raststätten in Niedersachsen oder Schleswig-Holstein ausweichen können, wo Rauchen noch erlaubt ist – eine Folge der föderalen Ausgestaltung der Rauchergesetze.

Mit einer Klage beim Verwaltungsgericht wehrt sich Uliczka gegen die Stadt Hamburg, die ihren Antrag nach einer Ausnahmegenehmigung für einen kleinen Raucherraum abgelehnt hat. Einen Entscheid in dieser Sache haben die Richter noch nicht getroffen; wohl aber haben sie die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes angezweifelt, das Kneipen- und Restaurantbetreiber ungleich behandelt. Nun muss das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entscheiden.

In ihrer Meinung bestätigt sieht sich die Hamburger SPD. Schon 2009 habe man davor gewarnt, Gaststätten unterschiedlich zu behandeln, sagt Fraktionschef Andreas Dressel. „Der Entscheid des Verwaltungsgerichts ist eine Blamage für die alte schwarz-grüne Koalition.“

Kersten Artus von der Linkspartei spricht sich für ein totales Rauchverbot aus, genau wie die GAL-Gesundheitsexpertin Heidrun Schmitt. Dieser Forderung schließt sich auch Frank Ulrich Montgomery an, der Präsident der Ärztekammer. Die Politik dürfe sich nicht länger vor den Karren von Zigarettenindustrie und Gaststättenverband spannen lassen.

Der Gastgewerbeverband Dehoga hofft nun auf eine nationale Gesetzgebung. „Es ist eine völlige Idiotie, in jedem Bundesland eigene Gesetze zu haben“, sagt Vorstandsmitglied Gerald Pütter. Am liebsten wäre ihm, jeder Gastwirt könnte selbst entscheiden, ob in seinem Betrieb geraucht werde. DENNIS BÜHLER