: Schönheiten stärken Heimatbindung
Die Regierung in Hanoi will Auslandsvietnamesen wiedergewinnen – sie bringen mehr Geld als die Entwicklungshilfe
BERLIN taz ■ Die Aula auf dem Campus einer Berliner Verwaltungsfachschule war brechend voll. Rund 600 Vietnamesen aus ganz Deutschland hatten sich am Samstagabend zusammengefunden, um der Kür der „Miss Vietnam“, der schönsten Vietnamesin aus Mitteleuropa, beizuwohnen. Am überzeugendsten präsentierte sich die 21-jährige Zahnarzthelferin Le Thi Thanh Hoa aus Sachsen-Anhalt. Bei der Wahl der Miss Vietnam World im vietnamesischen Badeort Nha Trang im September will sie nun zeigen, „dass auch Auslandsvietnamesen ein Teil des vietnamesischen Volkes sind“.
Die Einbeziehung von Auslandsvietnamesen in nationale Ereignisse wie die Miss-Wahl ist Teil einer umfassenderen Strategie der Hanoier Regierung. Denn die 2,7 Millionen Landsleute im Ausland sind für die vietnamesische Wirtschaft enorm wichtig. Nach offiziellen Angaben transferieren sie pro Jahr 3,8 Milliarden US-Dollar als Hilfsleistung für ihre Familien ins Land. Das ist immerhin noch etwas mehr als Vietnam an internationaler Entwicklungshilfe erhält.
Gern hätte Vietnam seine Emigranten auch als Investoren ins Land geholt. Doch ihre Investitionssumme ist mit knapp 700 Millionen US-Dollar noch bescheiden. Gerade einmal 7.000 Arbeitsplätze haben sie im Inland geschaffen. Dagegen sind sie fleißige Spekulanten an Vietnams Börse.
Noch vor wenigen Jahren galt „Viet Kieu“, so das vietnamesische Wort für Auslandsvietnamesen, in Hanoi als Schimpfwort. Sie zählten als Landesverräter. Heute sagt man „Viet Kieu Yeu Nuoc“, auf deutsch „Auslandsvietnamesen, die die Heimat lieben“. Doch Hanoi sieht mit Sorge, dass im Ausland geborene Kinder von Vietnamesen oft nicht einmal die Sprache der Eltern sprechen und kaum Bindungen an deren Heimat haben.
Deshalb lässt sich Hanoi einiges einfallen. Seit Anfang dieses Jahres dürfen Viet Kieu in Vietnam Grundstücke erwerben wie Inländer und genießen Vorzugsbehandlung bei der Gründung von Firmen. Botschaften organisieren vietnamesische Sprachkurse im Ausland und laden Kinder zu Ferienaufenthalten in Vietnam ein. Ab September gibt es für ehemalige Staatsbürger zudem ein Fünfjahresvisum. Und Hanoi wirbt unter ins Rentenalter gekommenen Bootsflüchtlingen, ihren Alterssitz in der alten Heimat zu nehmen. Haben ihre Kinder und Enkel an ausländischen Eliteuniversitäten studiert, dürfen diese auch ohne vietnamesischen Pass im Staatsapparat oder in der boomenden Wirtschaft Führungspositionen übernehmen. Sozialfälle will der sozialistische Staat aber nicht ins Land holen. Wer nicht für sich sorgen kann, muss wieder ausreisen. MARINA MAI