Am Rande des Platzes

DER KANDIDAT Ein hemdsärmeliger Westberliner aus einer anderen Zeit: Begegnungen mit Kurt Wansner, Kandidat der CDU in Berlin-Kreuzberg

Mich rührte, dass Kurt Wansner auf seiner Homepage viel älter aussieht als in echt

Gedankenverloren ging ich durch die Bergmannstraße, als plötzlich Kurt Wansner (63) vor mir stand. Der CDU-Kandidat schien vergnügt. Ich musste gleich lachen, weil mir die CDU in letzter Zeit vertraut geworden ist. Ich hatte ihr Parteiprogramm besprochen und war dabei zu dem Schluss gekommen, dass die CDU inzwischen auch zu den guten Parteien gehört.

Kurz zuvor noch hatte ich mit einem Kollegen auf Facebook gestritten, der das Bild von der Kurt-Wansner-Homepage gepostet und darunter geschrieben hatte: „Das auch noch: Wansner (CDU Kreuzberg) muss Beziehung mit 61-Jähriger einräumen!“. 31 Facebookfreunde hatten den Like-Button gedrückt. Nur ich hatte geschrieben, dass ich mich immer freue, wenn ich an den Kurt-Wansner-Plakaten am Mehringplatz vorbeifahre, weil die Plakate eine humorvolle Ausstrahlung haben. „Wähl ihn doch, wähl ihn doch!“, schrieb der Kollegen. „Selber, selber!“, antwortete ich.

Und plötzlich, wie gesagt, stand der leibhaftige Kurt Wansner vor mir. Er war kleiner, als ich gedacht hatte, und dass es sich tatsächlich um ihn handelte, war mir eigentlich erst klar geworden, als ich mich schon wieder verabschiedet hatte. Zuvor hatte mir eine junge CDU-Frau das Parteiprogramm hingehalten. Ich hatte gesagt, nö, ich bräuchte das nicht, aber betont, dass ich den Eindruck hätte, dass es sich bei der CDU inzwischen um eine gute Partei handle. Wansner meinte so etwas wie, die CDU sei doch schon immer eine gute Partei gewesen, und ich zweifelte, also früher … Aber nun sei die CDU ja doch ein bisschen weltoffener geworden, und das fände ich gut. Winkend ging ich meiner Wege. Irgendwie war ich ein bisschen überkandidelt an diesem Tag.

Diskussion mit der Polizei

Letzten Freitag stand er dann am Rande einer SPD-Kundgebung am Mehringplatz unter dem blau-weißen CDU-Sonnenschirm hundert Meter von der großen SPD-Bühne entfernt. Er diskutierte mit Polizeibeamten, die monierten, er habe keine Standgenehmigung, und wirkte vergrätzt, sodass man gar keine Lust hatte, ihm einen guten Tag zu wünschen, sondern in einem Bogen an seinem Stand vorbeiging. Nach einigen Telefongesprächen regelte sich das wohl, und er durfte bleiben. Doch kaum jemand blieb an seinem Stand stehen.

Von Weitem wirkte er fast ein bisschen prollig, ein hemdsärmeliger Westberliner aus einer anderen Zeit, der mich irgendwie an meinen Opa erinnerte und der auch dieses Normalomäßige und auch ein bisschen Listige an sich so als Image zu kultivieren versuchte. In diesem Image war er der bodenständige Westberliner, ein Kreuzberger Urgestein, durchaus nicht spießig – auch wenn mir später D. beim Fußball versicherte, Wansner sei eine rechte Socke.

Und dahinten zeigte sich auf der großen Bühne Klaus Wowereit, viel schicker angezogen natürlich, sehr gewandt, ein bisschen angeschwipst vielleicht von der eigenen Beliebtheit, der Kurt Wansner dann auch noch in einem Nebensatz von oben herab abkanzelte. Als Kiezbewohner freute ich mich, dass viele meiner Nachbarn der SPD zujubelten. Am Ende seines Auftritts verteilte der Wohlfühlbürgermeister tatsächlich kuschlige Wowi-Bären.

Der Tag für Kurt Wansner war, glaube ich, nicht so gut gelaufen. Er hatte aber Präsenz gezeigt. Als ich später im Prinzenbad einem Kollegen von Wansner und Wowereit erzählte, sagte der: „Wansner geht immer dahin, wo es wehtut.“

Abends schaute ich mir die Homepage des Politikers an. Sie wirkt authentisch und bürgernah. Beim Lesen spürt man die Langsamkeit, Schwierigkeit, das komplett Unglamouröse bezirkspolitischer Arbeit. Vieles rührte mich. Zum Beispiel, dass er auf seiner Homepage viel älter aussieht als in echt. In einigen Fragen bin ich aber doch anderer Ansicht. Grad neige ich ein bisschen zu den Piraten, das kann sich aber auch noch ändern.

DETLEF KUHLBRODT