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Archiv-Artikel

Laufsteg der heißesten Kerle

„Mister Gesundbrunnen“: In Folge 52 der Soap „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“ geht es um männlichen Ehrgeiz und männliche Ängste – ein komplexes Thema, das im Prime Time Theater gekonnt einfach vermittelt wird

Ein Besuch im Prime Time Theater im Wedding gleicht einer Folge von Ritualen: Zuerst wird man mit Handschlag von Impresario Oliver Tautorat begrüßt. Er ist der Theaterleiter, Mitbegründer und einer der fünf Darsteller, die später ungefähr 15 Rollen spielen werden. Dann folgt das blitzschnelle Belegen der Plätze mit Jacken, an dem man erkennt, dass die meisten Besucher das Serienformat „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“ nicht zum ersten Mal sehen. Das 3. Ritual ist das Quetschen, wenn Tautorat die, die auf den 134 Stühlen keinen Platz gefunden haben, noch auf Treppenstufen und Barhockern in die Eingänge quetscht.

Spätestens danach ist das trotz Ventilatoren schnell schwitzende Publikum eine eingeschworenen Gemeinschaft. Ein Grund dafür, hier auf Tuchfühlung zum Sitznachbarn zu gehen, ist tatsächlich das Staunen darüber, dass es das gibt: Theater für 8 Euro, immer ausverkauft, alle paar Wochen ein neues Stück, und das alles fast ohne Subventionen. Der Raum in der Müllerstraße ist inzwischen der dritte der Theaterkombo und immer noch zu klein für ihre Fans.

Volkstheater, Boulevard, Sitcom: Jeder dieser Begriffe passt und passt nicht auf die Fortsetzungssoap von „Gutes Wedding, Schlechtes Wedding“. Er passt, weil alle diese Genres in ihrem Wunsch nach unmittelbarer Lebensnähe und Witz Vorbild sind. Er passt nicht, sofern man an die festgefahrenen Dramaturgien und die eingeschränkte Klientel der angegrauten Theatervorfahren und des jüngeren Fernsehformats denkt. Vor allem aber, weil man sich hier zur Primetime, 20.15 Uhr, erlaubt, all den Nonsens zuzugeben, dem die familiendynastisch verwickelten Storylines folgen, und jeden dramaturgischen Kniff liebevoll ausstellt. Kurzum, das Prime Time Theater ist auch sicher deshalb so beliebt, weil es all den Schwachsinn der Unterhaltungsformate, die es zitiert, auch so genussvoll parodiert.

Und das ganz einfach, indem die Geschichten alle im Wedding spielen, wo gesellschaftlicher Ehrgeiz wenig Höheres kennt als die Wahl zum „Mister Gesundbrunnen“. Das erzählt die Folge 52. Was seit den Anfängen 2004 geschah, wird im Foyer liebevoll mit Fotos und verbindenden roten Wollfäden erzählt und vor der Show mit einem kurzem Trailer; man kapiert es trotzdem nicht. Ist aber auch egal, weil die einzelnen Folgen, die Constanze Behrends Tautorat schreibt, aus Sketchen gebaut sind, die sich selbst erklären. Diesmal sind das vor allem die peinlichen Episoden, die jeder der Kandidaten zum „Mister Gesundbrunnen“ aus seinem Leben erzählt. Vom Wiedersehen des Musikers Gabi mit seiner Exfreundin, vom morgendlichen Erwachen Mahmuts, des Tigers vom Wedding, neben einer schönen Unbekannten, von der Angst Murats, die Freundin könnte ihn verlassen. Kurzum: von der Angst des Mannes vor dem Erfahrungshunger der Frauen.

Was komisch nicht zuletzt deshalb wird, weil die Darsteller durch die verschiedenen Rollen von Männern und Frauen wie durch Versuchsanlagen schlüpfen. An der Oberfläche bedienen sie dabei ein lustiges Typenkabinett von verkrachten Künstlern, naiven Vätern, aufmüpfigen Kiezschlampen, Taxifahrern und Urologinnen. Aber die Bilder reagieren aufeinander und rächen den Wunsch nach Vereinfachung und unterkomplexer Geradlinigkeit des Lebens durch ständig absurder werdende Konstruktionen. Die sind gar nicht so schlicht, die tun nur so.

KATRIN BETTINA MÜLLER

Folge 52, „Mister Gesundbrunnen“, 17. bis 21. August; Folge 53, „Fernwehchen“, Premiere am 24. August. Prime Time Theater, Müllerstr. 163 b