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Archiv-Artikel

Eingriff ins Berufsgeheimnis

Ein Hamburger Anwalt klagt vor dem Bundesgerichtshof, weil die Polizei vor dem G 8-Gipfel seine Anwaltspost kontrollierte

Die taz-Enthüllung sorgte bundesweit für Furore: Im Vorfeld des G8-Gipfels hatten sich Staatsschützer des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA) im Auftrag von Bundeskriminalamts (BKA) und Bundesanwaltschaft im zentralen Briefverteilungszentrum am Kaltenkirchener Platz eingenistet und kontrollierten rund um die Uhr durch „in Augenscheinnahme“ Postsendungen aus und nach verdächtigen Stadtteilen. Ein Hamburger Anwalt, dessen Kanzlei in der betroffenen Region liegt, hat dagegen nun vor dem Bundesgerichtshof (BGH) Beschwerde eingelegt.

Diese Maßnahme verstoße nicht nur gegen Artikel 10 Absatz 1 des Grundgesetzes – also das Briefgeheimnis, so seine Argumentation. Sondern es sei in seinem Fall zusätzlich in die nach Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Vertraulichkeit als Berufsgeheimnisträger eingegriffen worden.

Der genaue Ablauf der damaligen Aktion liegt weiter im Dunkeln. Zwar gibt es der Polizei zufolge einen Beschluss des Ermittlungsrichters am BGH, wonach die Post aufgrund eines von der Bundesanwaltschaft eingeleiteten Verfahrens – wegen Verdacht der „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ – kontrolliert werden darf. „Ich kenne diesen Beschluss nicht“, sagt allerdings der Berliner Anwalt Fredrik Roggan, Vize-Bundesvorsitzender der Humanistischen Union, der den Hamburger Kollegen nun vertritt. Es könnte durchaus sein, dass der Ermittlungsrichter zwar die Postkontrolle nach Paragraf 99 der Strafprozessordnung (StPO) genehmigt hat, dennoch hätten sich Bundesanwaltschaft, BKA und LKA angemaßt, diese selbst durchzuführen. Oder aber der Ermittlungsrichter habe in der G8-Gipfel-Hysterie den Staatsschutzbehörden sozusagen einen Persilschein gegeben – dann müsste er in die Schranken gewiesen werden. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Ermittlungsrichter eine Maßnahme anordnet, sagt Roggan, die dann anschließend vom Bundesgerichtshof „kassiert“ werde.

Fest steht für Roggan: Die Polizei hat in jedem Fall gegen Grundrechte verstoßen. „Eine Postbeschlagnahme darf ausschließlich durch Angehörige des Postunternehmens durchgeführt werden“, sagt er. Weder Richter, Staatsanwälte noch Polizei dürften über den im § 99 StPO geregelten Umfang hinaus in das Briefgeheimnis eingreifen, sagt Roggan unter Hinweis auf die „herrschende Meinung“.

Die Argumentation der Bundesanwaltschaft, die auf die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgericht verweist, überzeugt Roggan nicht. Das Gericht hatte eine „elektronische Rasterfahndung“ des Bundesnachrichtendienstes zugelassen, die aber ausschließlich durch „neutrale“ technische Mittel erfolgte.

Im vorliegenden Fall hätten aber lebende Beamte die Post kontrolliert, die Wahrnehmungen wie Namen und Adressen in ihren Gedächtnissen aufzeichnen, sagt Roggan. So sei eine „spurenlose“ Kontrolle gar nicht möglich gewesen. Die Beamten hätten zudem ein individuelles und berufliches Interesse sowie Arbeitshypothesen gehabt, Daten zu registrieren. Sein Mandant müsse davon ausgehen, sagt Roggan, „dass die briefliche Kommunikation zwischen ihm und seiner Mandantschaft staatlicherseits in Augenschein“ genommen worden sei. „Das ist ein Eingriff in das Berufsgeheimnis.“ KAI VON APPEN