Wie uns die anderen sehen

Bremen tut nichts, hat sich schon aufgegeben, das ist das Fazit der Bertelsmann-Stiftung. Ihre Studie interpretiert die Bremer Zahlen anders, als man das in Bremen gern tut. Ein Blick in den Spiegel

VON KLAUS WOLSCHNER

Alle Jahre wieder vergleicht die Bertelsmann-Stiftung die Bundesländer nach verschiedenen Kriterien wie Sicherheit, Armut, Einkommen. 16 Seiten dick ist das Länder-Dossier über Bremen. Im Fazit heißt es: „Betrachtet man die gegenwärtige Finanzpolitik des Landes, gewinnt man den Eindruck, dass Bremen die innere Kündigung bereits vollzogen hat.“ In der „Hoffnung auf neue Hilfen des Bundes“ würden die Schulden nur verwaltet. Was kann in Bremen zu einem Wechsel führen? „Ein Blick nach Berlin zeigt jedoch, dass dafür erst eine Ablehnung durch das Bundesverfassungsgericht notwenig ist.“

Bremens Wirtschaft wächst wenig – rang 13 der Bundesländer. Und die Schuldenlast des Staates verdeutlicht folgende Zahl: Während der Bremer Senat pro Kopf 736 Euro Zinsen bezahlen muss, sind das in Bayern nur 83 Euro! Gleichzeitig sind die Ausgaben des Landes für Investitionen doppelt so hoch sind wie in Bayern. Das steht in deutlichem Kontrast zu der Investitionsbereitschaft der Industrieunternehmen – Bremen belegt da den vorletzten Platz aller Bundesländer. Das Ziel, die Investitionsquote bis 2009 auf das Niveau des reichen Hamburgs abzusenken, sei „auch aufgrund der zahlreichen Fehlinvestitionen der Vergangenheit“ sinnvoll, meint die Bertelsmann-Studie.

Die Universität Bremen hat einen guten Ruf, kein Bundesland zieht so viele Studienanfänger an wie Bremen, die Zahl der Patentanmeldungen im Hochtechnologiebereich steigt, aber die Zahl der Selbständigen, die solche Patente wirtschaftlich verwerten könnten, ist katastrophal niedrig. Beim Tourismus sieht die Studie Bremen auf dem vorletzten Platz der Länder-Liste.

Und bei der „offenen und verdeckten Arbeitslosigkeit“ mit 17,5 Prozent ganz hinten im westdeutschen vergleich und nur knapp vor Thüringen. Während die hohe Zahl der Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss mit minimalen Chancen auf dem Ausbildungsmarkt negativ zu Buche schlägt, wird die große Zahl der Absolventen mit Hochschulreife als „erfreulich“ zur Kenntnis genommen.

Ein großes „Armutsrisiko“, so die Studie, sei die hohe Zahl der Ehescheidungen. Da diese Zahl in Flächenländern geringer ist, liegen die drei Stadtstaaten am Ende der Tabelle. Entsprechend stellt „Erziehung eines Kindes ohne Partner“ ein weiteres großes Armutsrisiko dar, wie es im Statistiker-Deutsch heißt – auch da hat Bremen hohe Werte aufzuweisen. Erstaunlich, dass Bremen nicht nur bei der Säuglingssterblichkeit, sondern auch beim geringen Geburtsgewicht von Kindern „mit weitem Abstand“ die Tabelle anführt. Das sei ein Indikator für den schlechten Gesundheitszustand der Mütter, hatte eine UNESCO-Studie festgestellt. Die Zahlen für das Jahr 2004 waren allerdings ein einmaliger statistischer „Ausreißer“.

Bei den Drogentoten erreicht Bremen im Ländervergleich traurige Rekorde: Mit 87,5 Drogentoten pro 1.000 Einwohner übersteigt Bremen den Hamburger Wert um das Doppelte. Während erwischte Drogenhändler in Bayern mit einem schnellen Urteil abgeschreckt werden, ist die Verfahrensdauer in Bremen deutlich länger.

Fazit der Bertelsmann-Studie zu Bremen: Die „katastrophale Haushaltslage belastet zukünftige Generationen“. Das Beispiel Bremen zeige zudem, „dass durch Subventionen und andere marktverzerrende Staatseingriffe keine Probleme gelöst werden“.