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Archiv-Artikel

„Coaching ist ein Trendbegriff“

Coaching, Supervision, Training, Beratung: Die Übergänge sind fließend, sagt Diplom-Psychologin und Business-Coach Christina Rother. Sehr klar seien die Grenzen zur Therapie. Eine Heilung destruktiver Muster kann ein Coach nicht leisten

CHRISTINA ROTHER, 51, Diplom-Psychologin mit Approbation, arbeitet seit 1982 mit Menschen in Veränderungsprozessen. Seit sieben Jahren ist sie Business-Coach und Inhaberin ihrer eigenen Firma „Coaching Professionals“ mit Sitz in Bremen. Zu ihren Kunden gehören EADS und Daimler Chrysler. Sie ist die einzige Bremerin, die die hohen Maßstäbe des Deutschen Bundesverbands Coaching (DBVC) erfüllt.

Interview: Eiken Bruhn

taz: Frau Rother, Sie haben sowohl als Therapeutin als auch als Supervisorin und jetzt als Coach gearbeitet. Wie grenzen Sie diese Berufsfelder voneinander ab?

Christina Rother: Die Psyche und das Verhalten von Menschen spielen natürlich auch immer eine Rolle im Coaching-Prozess. Persönliche Erlebens-u.Verhaltensmuster werden sichtbar. Sie werden benannt, aber nicht geheilt. Wenn jemand in seiner Arbeit durch diese Muster gehindert wird, wenn diese destruktiv sind, dann würde ich zu einer Therapie raten, in der ausführlich exploriert werden kann, wie diese entstanden sind und wie sie geheilt werden können.

Passiert das oft, dass Sie an Kollegen verweisen müssen?

Nein, die Führungskräfte mit denen ich arbeite, sind Menschen, die ein relativ hohes Maß an Gesundheit mitbringen, sonst wären sie nicht so leistungsfähig. Die kommen ja auch nicht immer in einer Krise, wie viele denken, sondern oft geht es um Optimierung, um Besserwerden, um Klärung.

Aber kann nicht gerade diese Leistungsorientierung zum Problem werden?

Ja, das kommt vor. Ich hatte gerade mit jemandem zu tun, der sehr hohe Ansprüche an sich hatte und damit einen enormen Druck aufbaute, das ging bis zu psychosomatischen Beschwerden. Als Psychologin kann ich so etwas natürlich erkennen.

Das heißt, ein Coach sollte psychologische Kenntnisse haben?

Ich finde, dass das zu einer Coaching-Ausbildung dazugehören sollte. Coach ist ja kein geschützter Beruf, das kann jeder machen, der möchte. Da es aber eine Arbeit mit Menschen ist, wo sehr subjektive Faktoren eine Rolle spielen, muss jemand wissen, was in solchen Prozessen passiert. Man muss wissen, wie sich Menschen verändern und auch seine eigene Rolle reflektieren können. Druck hat etwa in einem solchen Coaching-Prozess nichts zu suchen.

Wo grenzt sich das Coaching zur Supervision ab?

Da gibt es fließende Übergänge. Begrifflich ist die Abgrenzung recht klar, weil Wirtschaftsunternehmen von Coaching oder Gruppen-Coaching sprechen, wenn es um Teamprozesse geht. Wenn Sie eine Personalabteilung fragen, „kaufen Sie einen Coach oder einen Supervisor ein?“, dann sagen die Coach.

„Ein Coach muss wissen, in welchen Prozessen sich Menschen verändern“

Warum?

Supervision geht intensiver auf die individuelle Ebene einer Problemstellung ein. Das hat damit zu tun, dass Supervision aus der klinischen Arbeit kommt und zunächst gedacht war für Personal, das therapeutisch arbeitet. Da hat man gesagt, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für sich selbst eine Klarheit brauchen und auch untereinander, damit nicht unbewusst Konflikte auf Patienten übertragen werden.

Aber auch in Unternehmen schadet es doch nichts, wenn die wissen, wo ihre Konfliktlinien sind.

Ja, aber in einer Organisation ist es nicht möglich, die Konflikte auf einer tiefgehenden individuellen Ebene anzugehen. Um den Problemen diesen Raum zu geben, fehlt die Zeit. Wenn ein Team anderthalb Jahre Zeit für ein Millionen- oder, wenn Sie an den Rüstungsbereich denken, ein Milliarden-Projekt braucht, dann geht es darum, möglichst rasch über eine strukturelle Klärung eine Lösung zu finden, also vielleicht eine Abteilung neu zu gliedern oder Aufgaben anders zu verteilen, um die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten und das Fortkommen des Projekts.

Und wenn das nicht hilft, weil sich zwei Leute einfach nicht grün sind?

Dann geht es oft nicht anders als in eine andere Abteilung zu wechseln oder schlimmstenfalls führten ungelöste Teamprobleme sicherlich auch schon zu Entlassungen.

Wäre ein solch pragmatischer Ansatz nicht auch etwas für nicht profit-orientierte Organisationen, die sich ja oft jahrelang in Supervisionssitzungen mit immer denselben Themen quälen?

Der gute Coach…

… sollte laut Christina Rother ein kostenloses Vorgespräch anbieten und klare Aussagen machen über den zeitlichen und finanziellen Aufwand. Er oder sie sollte außerdem in der Lage sein, Auskunft über seine/ihre Berufserfahrung, thematische Spezialisierung und Arbeitsweise zu machen. Lebenserfahrung ist genauso wichtig wie Sympathie: Ohne Vertrauen sei eine erfolgreiche Zusammenarbeit nicht möglich, so Rother.

Die Suche nach einem passenden Coach erleichtern die beiden Berufsverbände Deutscher Bundesverband Coaching (www.dbvc.de) und Deutscher Verband für Coaching und Training (www.dvct.de). Für Supervision empfiehlt Rother die Deutsche Gesellschaft für Supervision (www.dgsv.de). Außerdem gibt es die Coach-Datenbank (www.coach-datenbank.de), in die nur diejenigen aufgenommen werden, die von einem anderen Mitglied empfohlen worden sind und den Qualitätskriterien des Betreibers Christopher Rauen genügen. Dazu zählt dieser neben einer mindestens fünfjährigen Berufserfahrung und dem Nachweis über regelmäßige Supervision auch Nichtzugehörigkeit zu Sekten und die Ablehnung esoterischer Praktiken. taz

Ja, vielleicht. Ich kenne das selbst aus meiner Arbeit in einem Therapie-Zentrum, dass wir sehr viel Zeit damit verbracht haben, uns die individuelle Ebene anzuschauen. Vielleicht hätte sich einiges auch schneller geklärt, wenn man einfach Verantwortungsbereiche klarer organisiert.

Die großen Coaching-Verbände definieren Ihre Arbeit als etwas, was mit dem Beruf zu tun hat. Nun gibt es aber auch Coaching für alles mögliche andere: Paar-Coaching, Ernährungs-Coaching…

.. Fitness-Coaching, Rauch-Coaching. Ja, ich weiß nicht, ob sich das alles halten wird. Das ist bestimmt auch eine Marketing-Strategie, die signalisiert, „da werden Sie geholfen“. Mein Eindruck ist, dass es dabei eher um eine Art Training geht, da ist ein Lehrer, der mir Kompetenzen oder Wissen vermittelt. Im Coaching ist das eher ein zusätzlicher Effekt. Im Coaching steht das individuelle Vorgehen im Mittelpunkt. Es geht um ein Ziel, für das man Handlungsschritte entwickelt und um Lösungswege beispielweise in einer beruflichen Konfliktsituation.

Ist das ein Problem, wenn der Begriff für so vieles verwendet wird?

Sicher fällt bei diesem Begriffs-Wirrwarr die Orientierung schwer. Mein Eindruck ist jedoch, dass eine Marktregulierung stattfindet. Unternehmen setzen z.B auf festgelegte Qualitätsstandards, die Coaching-Verbände entwickelt haben, aber Privatpersonen gucken auch sehr genau, wenn sie jemand einkaufen. Es geht schließlich um den eigenen Geldbeutel und bei beruflichen Themen um die Existenzsicherung.