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Archiv-Artikel

„Etwas Absurdes“

TRADITION Die Eiswette von 1829 bekommt nach 25 Jahren einen neuen Schneider – aus der Schweiz

Peter Lüchinger

■ wurde an der Schauspiel-Akademie in Zürich ausgebildet und ist seit 1989 Mitglied im Ensemble der Bremer Shakespeare Company.

taz: Herr Lüchinger, Sie werden heute als neuer Schneider der Eiswette ins Amt eingeführt. Wurden Sie gefragt oder haben Sie sich dafür beworben?

Peter Lüchinger: Ich würde mich niemals selbst bewerben. Ich wurde gefragt.

Weil oder obwohl Sie ein Schweizer sind?

Ich finde es spannend, dass der Schneider von einem Fremden gespielt wird. Ob das nun ein Schweizer ist oder nicht, das ist egal.

Da die Weser heute gar nicht mehr zufrieren kann, ist die Eiswette von 1829 aber doch eine sinnentleerte Tradition, oder?

Die Wette an sich hat schon etwas Paradoxes, Absurdes. Im Grunde ist das Ganze aber ja ein Theaterevent – das früher übrigens viel kleiner war als heute. Der Schneider ist eine theatrale Narrenfigur, die von oben auf die Welt blickt und die es so ähnlich im Grunde auch bei Shakespeare gibt. Und das man sich immer wieder bei der Eiswette trifft und austauscht, das finde ich gut – das kommt mir sehr entgegen.

Nehmen Sie auch Einfluss auf den Text, den Sie sprechen?

Nein. Der Autor, der auch Theaterstücke schreibt, macht das gut und soll das weiter machen.

Also ändert sich nichts am lieb gewonnenen Ritual?

Natürlich ändert sich schon etwas, weil ich jetzt den Schneider spiele. Aber ich will die Tradition weiter pflegen, da muss man nichts groß umkrempeln. Und der Ablauf bleibt – es geht um die Frage, ob die Weser „steiht“ oder „geiht“.

Sind Sie als Schneider der Eiswette jetzt endgültig in Bremen eingebürgert?

(lacht) Ich lasse mich gerade einbürgern, weil ich die doppelte Staatsbürgerschaft will – aber das hat nichts mit der Eiswette zu tun. Aber ich bin jetzt seit 30 Jahren in Deutschland und will auch mitwählen können. Ich finde, gerade als Schweizer: Man muss eine Haltung zur Politik einnehmen und auch immer mal wählen gehen.  Interview: Jan Zier

12 Uhr, Punkendeich