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Archiv-Artikel

Leere Dörfer, sprießende Bäume

KUNST In einer gemeinsamen Ausstellung zeigen Hulusi Halit und Panicos Chrysanthou Bilder und Fotografien aus dem geteilten Zypern

Keine Fenster mehr, nicht einmal Fensterrahmen. Keine Möbel, nicht einmal ein Kleiderhaken. Die schmucklosen, aus Lehmziegeln erbauten Häuser sinken mit dem Winterregen Jahr für Jahr mehr in sich zusammen. Ayios Sozomenos war einmal ein kleines Dorf mitten in der staubigen Ebene von Zypern, weit weg vom Meer und den Hotels. Es gab drei Kirchen, eine Moschee und – im Jahre 1960 – 197 Menschen, die dort lebten.

Doch seit fast 50 Jahren steht Ayios Sozomenos leer. Der zypriotische Regisseur und Fotograf Panicos Chrysanthou hat das gottverlassene Dorf dutzende Male besucht. Seine Bilder erzählen vom Verlassen, von Vertreibung und Leid, ausgelöst durch den fanatischen Nationalismus von griechischen und türkischen Zyprioten. Die einen wollten die Rechte ihrer Nachbarn beschneiden, die anderen trachteten nach der Teilung der Insel, die seit 1974 traurige Realität ist. „Teilung oder Tod“ steht auf einer der bröckligen Mauern von Ayios Sozomenos geschrieben.

1958 begann das Unheil in dem Bauerndorf. Damals terrorisierten türkische Zyprioten die Griechen. Es sollte keine Gemeinsamkeiten geben. Die ersten Menschen zogen fort. Fünf Jahre später erreichte ein griechischer Mordtrupp den Ort und tötete als Vergeltung für den Tod zweier Griechen im Nachbardorf sechs Türken von Ayios Sozomenos. Danach verließen die letzten Menschen das Dorf.

Gemeinsame Zukunft

Ayios Sozomenos steht stellvertretend für viele verlassene Siedlungen Zyperns, die der griechische Zypriote Chrysanthou besucht und in seinen melancholischen Bildern festgehalten hat. Seine Fotos hängen neben den Ölgemälden des zyperntürkischen Malers Hulusi Halit. Die eine Reihe heißt „Stories of the No Man’s Land“, die andere hat den Titel „This is my Land“. Gemeinsam dokumentieren die Bilder die Vergangenheit – und fordern zu einer gemeinsamen Zukunft zwischen den verfeindeten Volksgruppen auf.

Halits Thema, das er immer wieder variiert, sind Bäume. Bäume verbergen die Vergangenheit, die aber zwischen den grünen Trieben immer wieder hervortritt. Die Vergangenheit, das sind nicht nur die tausenden Toten und Vermissten aus Kriegen und Bürgerkriegen. Halit und Chrysanthou nehmen die blutige Geschichte Zyperns zum Anlass, um für Gemeinsamkeiten und Verständigung zu werben. Deshalb ist diese Schau nicht nur schön, sondern auch politisch.

Halit will mit der Ausstellung die Journalistin Sevgül Uludag unterstützen. Sie hat ein Komitee gegründet, in dem Insel-Griechen und -Türken gemeinsam die Geschichte aufarbeiten. So kommt es, dass die Zyperntürkin Leyla Kirlalp und der Zyperngrieche Andreas Sizinos an einem warmen Abend in Berlin vor den Bildern von Halit und Chrysanthou in Berlin-Kreuzberg stehen und ihre Geschichte erzählen.

Kiralps Ehemann verschwand im Krieg 1974 und tauchte nie wieder auf. Sizinos’ Vater verschwand zur selben Zeit. Erst jüngst hat man seine Knochen gefunden, eilig verscharrt in einem Massengrab. Doch Kiralp und Sizinos verweigern den eingestanzten Weg des gegenseitigen Hasses, der das Leben auf Zypern bis heute dominiert. Sie haben den gesellschaftlichen Konsens des Misstrauens verlassen und arbeiten zusammen für eine bessere Zukunft. So wie der Maler Hulusi Halit und der Fotograf Panicos Chrysanthou in ihrer sehenswerten gemeinsamen Ausstellung über einen vergessenen Konflikt. KLAUS HILLENBRAND

■ Galerie der Marheineke Markthalle, Marheinekeplatz. Bis 17. September. Eintritt frei