Mehdorn gibt noch mal den Boss

PARLAMENT Der Noch-BER-Chef will eigentlich alles richtig gemacht haben und drängt auf Ausbau. Denn 2020 soll es 35 Millionen Passagiere geben – konzipiert ist der BER für 27

„Mit 5,4 Milliarden wird der Flughafen ein preiswerter sein“

FLUGHAFENCHEF HARTMUT MEHDORN

VON STEFAN ALBERTI

Der Mann am Gästetisch des Parlamentsausschusses wirkt gar nicht so wie ein Chef, der nur noch sein Feld bestellt, weil er seinen Rücktritt längst erklärt hat. Im Präsens und im Futur spricht Hartmut Mehdorn am Mittwoch vor den Bau- und Verkehrspolitikern des Abgeordnetenhauses, redet von „wir“, als er von den nächsten Aufgaben am problembeladenen künftigen Hauptstadtflughafen BER spricht. Und weit voraus schaut der 72-Jährige, als er prognostiziert, dass es in Schönefeld in 20 Jahren fast doppelt so viele Passagiere geben soll wie jetzt.

Mitte Dezember hat Mehdorn, Ex-Bahnchef, Ex-Airberlin-Chef, erklärt, dass er spätestens Ende Juni Ex-Vorstandschef der Flughafengesellschaft (FBB) sein will. Unter anderem mit Mobbing aus Kreisen des Aufsichtsrats erklärte er damals seinen Rückzug.

An diesem Mittwochnachmittag sitzt der Mann neben ihm, in dem viele seinen Nachfolger als Unternehmenschef sehen: der jetzige Technik-Geschäftsführer Jörg Marks. Den hatte der neue Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) vor Weihnachten nach seiner ersten Aufsichtsratssitzung ausdrücklich gelobt und sich dafür ausgesprochen, dass der neue Chef aus dem jetzigem Team kommt. Diese Entscheidung müsste Müller aber erst bei den anderen Teilhabern der FBB durchsetzen, dem Land Brandenburg und dem Bund.

Lob für Marks gibt es an diesem Mittwoch aus den Reihen der Opposition. Harald Wolf (Linkspartei), der frühere Wirtschaftssenator, spricht nach der Präsentation des Technik-Geschäftsführers von einer klaren Konzeption, „die auch plausibel klingt“. Harald Moritz von den Grünen hingegen nennt Marks’ Sachstandsbericht „noch ziemlich unkonkret“.

Doch noch sitzt Mehdorn am Steuer, und weder Marks noch Finanzgeschäftsführerin Heike Fölster an seiner anderen Seite wirken so, als ob sie den Senior nicht mehr ernst nehmen würden. Der legt sich erneut darauf fest, dass der von ihm geforderte 1,1-Milliarden-Nachschlag für den BER – den noch die EU-Kommission als Beihilfe genehmigen muss – der letzte sein soll. Für dann 5,4 Milliarden Euro lasse sich der Flughafen in der ursprünglichen Planung für 27 Millionen Passagiere jährlich fertig bauen.

„Damit wird dieser Flughafen ein preiswerter sein“, schiebt Mehdorn nach und sorgt damit für Lacher im Ausschuss. Doch, doch, das sei schon so, beharrt Mehdorn und verweist auf aus seiner Sicht höhere Baukosten am Münchner Flughafen.

In den 5,4 Milliarden allerdings nicht enthalten sind die Kosten für den weiteren Ausbau, der laut Mehdorn drängt. Für 2014 spricht er von 28 Millionen Passagieren, also einer Million oberhalb der jetzigen Kapazität. 2020 sollen es 35 Millionen sein, 2035 rund 50 Millionen – „da sind wird schon spät dran“. Wie teuer das wird, bleibt offen. Für unabdingbar hält es Mehdorn, den jetzigen Flughafen Schönefeld in Betrieb zu lassen.

Wie viel Geld die Erweiterung auch kosten mag: Den weiteren Ausbau sollen laut Mehdorn nicht die Steuerzahler, sondern eigene Einnahmen des BER finanzieren – was erst ab Eröffnung möglich ist. Die soll im zweiten Halbjahr 2017 erfolgen, bestätigt Mehdorn seine Aussagen vom Dezember.

„Ein Flughafen, der 2012 fertig sein sollte, braucht also noch fünf Jahre – das ist viel Zeit, viel Geld“, reagiert Ausschusschef Andreas Otto (Grüne). Schon als eingangs der neue Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) die geplante Schließung des Flughafens Tegel als Lärmschutzmaßnahme anführt, kommentiert der Piratenabgeordnete Wolfram Prieß trocken: „Ich hatte eigentlich nach kurz- bis mittelfristigen Maßnahmen gefragt.“ Und als die Flughafengesellschaft in ihrem Bericht den Zeitraum von 2006 bis 2013 mit „Versuch und Irrtum“ überschreibt, sagt der Grüne Moritz: „Besser wäre Blindflug.“

Mehdorn lassen die Lacher und Witzeleien – zumindest äußerlich – kalt. Er gibt den Mann, der mit seiner Arbeit im Reinen ist, erinnert an seinen Beginn als Vorstandschef im März 2013. Stillstand und Apathie hätten auf der Baustelle geherrscht: „Ich hatte so etwas noch nie erlebt.“ Dass sich die Lage inzwischen geändert hat, belegen Mehdorn und Marks unter anderem mit deutlich mehr Bauarbeitern am BER. Waren es im August noch 140, sollen es jetzt 350 und bis Jahresende 500 bis 600 sein.

Bis März 2016 sollen die eigentlichen Bauarbeiten fertig sein. Dann würden nur noch Inbetriebnahme, Überprüfung und Abnahme folgen. Ende dieses Jahres will die Flughafengesellschaft laut Marks soweit sein, aus der groben Angabe „zweites Halbjahr 2017“ ein konkretes Eröffnungsdatum zu machen.

Mehdorns Vermächtnis ist auch ein weiteres klares „Nein“ zu einem ausgeweiteten Nachtflugverbot, über das Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erneut mit der Berliner Landesregierung sprechen will: „Dann werden wir auf einen Regionalflughafen zurückfallen.“ Mehdorn, der schon in der Vergangenheit befand, es gebe weltweit keinen besseren Schallschutz als am BER, wofür am Ende 700 Millionen Euro geflossen sein sollen, findet nun einen weitere globale Ausnahmestellung: „Berlin wird die erste Hauptstadt sein, die Nachtflugeinschränkungen hat.“