Auf dem Weg zu mehr Leichtigkeit

BIATHLON Nach einem Burn-out startet Tina Bachmann erstmals wieder im Weltcup

OBERHOF taz | Es ist warm im neuen Multifunktionsgebäude am Rennsteig, aber dick eingepackt ist Tina Bachmann trotzdem. Auf dem Kopf trägt die hochgewachsene Erzgebirglerin eine wollene Pudelmütze, der weiße Schal liegt fest verschlungen um ihren Hals. Es sieht aus, als wolle sich die 28-jährige Skijägerin vor der Welt ein bisschen verstecken. In Wirklichkeit aber ist es so, dass sich die zweimalige Staffelweltmeisterin gerade wieder herauswagt auf die großen Bühnen ihres Sports: Der Oberhofer Sprint am Freitag ist für Bachmann das erste Weltcuprennen seit zwei Jahren. „Das wird nicht so leicht für sie“, sagt Frauen-Cheftrainer Gerald Hönig.

Eine Vorahnung auf die 20 Sprintminuten im Schmuddelwetter am Grenzadler überkam die Wahl-Ruhpoldingerin schon am Mittwoch. „Auf der Autofahrt nach Oberhof lief gerade das Staffelrennen – mit drei Mädels, mit denen ich zusammen trainiere. Da kam bei mir schon wieder leichte Nervosität auf“, erzählt Bachmann. Und sie ergänzt trotzig: „Aber auch die Vorfreude auf den Wettkampf.“

Dieser Trotz half der Silbermedaillengewinnerin im Einzel bei der WM 2011 auch aus dem tiefsten Loch in ihrer Karriere heraus. „So, wie ich vor zwei Jahren von der Biathlonbühne abgetreten bin, wollte ich meine Karriere nicht beenden. Ich habe mir gesagt: ‚Da ist noch etwas‘ “, blickt Bachmann zurück. Zu Beginn des vorletzten Winters waren ihre Leistungen in den Keller gesackt, im Januar 2013 nahm Chefcoach Hönig („eine Schutzmaßnahme“) die ehrgeizige, zu Übertraining neigende Athletin aus dem Weltcupteam. „Danach hat es noch ein halbes Jahr gedauert, bis mir klar geworden ist, was eigentlich los war.“ Bachmann hatte Probleme mit der Schilddrüse, kämpfte mit Symptomen des Burn-out-Syndroms. Ende Januar 2014 ging sie für drei Monate in eine Klinik.

Sie habe erkannt, wie wichtig es ist, die Zeichen ernst zu nehmen, die der eigene Körper einem sendet, ihm immer mal etwas Gutes zu gönnen. „Aktuell geht’s mir gut“, betont sie vor ihrem Comeback in der Weltelite. „Ich bin stolz auf die Entwicklung, die ich in den letzten elfeinhalb Monaten genommen habe.“ In den elfeinhalb Monaten, seit die ausgebrannte Athletin entschied, sich in professionelle Behandlung zu begeben.

„In den drei Monaten in der Klinik habe ich wirklich an mir gearbeitet. Ich habe gelernt, Dinge zu erkennen und gegenzusteuern“, betont Bachmann, die in Oberhof in ein zweites Leben als Leistungssportlerin startet. „Ich bin dankbar, wieder dabei zu sein, erlebe jetzt alles viel tiefer und bewusster als früher“, sagt die Frau, die aus ihrer Vergangenheit in der Biathlonspitze einiges gelernt hat: „Ich habe dem Ganzen zu viel Raum gegeben.“

Mittlerweile betrachtet sie ihr Tun in anderen Relationen. „Es ist nur Sport. Und es gibt Menschen, denen geht es viel schlechter“, erklärt sie – und hat für den Neustart in der ersten Liga nun vor allem ein Ziel: „Dass ich die gezeigte Leichtigkeit aus dem IBU-Cup einfach mitnehmen kann.“ ANDREAS MORBACH