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Archiv-Artikel

Die Spur führt nach Nordost

TERROR Die mutmaßlichen Attentäter werden 80 Kilometer von Paris an einer Tankstelle erkannt. Die Polizei hat Spezialkräfte zusammengezogen. Ein 18-jähriger mutmaßlicher Komplize hat sich der Polizei gestellt

PARIS afp/ap/taz | Am Tag nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo hat die Fahndung nach den Tätern ganz Frankreich in Atem gehalten. Die beiden flüchtigen Hauptverdächtigen wurden nach Angaben von Ermittlern am Donnerstag in Nordfrankreich gesichtet.

In der Gegend von Villers-Cotterêts im nordfranzösischen Département Aisne waren am Nachmittag Beamte der Anti-Terror-Polizeieinheit RAID und der Gendarmerie-Sondereinheit GIGN im Einsatz. In der Region rund 80 Kilometer nordöstlich von Paris sei ein Auto entdeckt worden, das die beiden Verdächtigen zuvor als Fluchtwagen benutzt hätten.

Zuvor hatte es vonseiten der Ermittler geheißen, der 32-jährige Chérif Kouachi und sein 34-jähriger Bruder Saïd seien in einem grauen Clio gesichtet worden. Der Betreiber einer Tankstelle in der Nähe von Villers-Cotterêts habe die beiden eindeutig erkannt. „Die beiden Männer sind vermummt, mit Kalaschnikow und anscheinend mit Raketenwerfern“ ausgerüstet, hieß es weiter.

In einem anderen kurz nach dem Anschlag in Paris zurückgelassenen Auto wurden laut Ermittlern zwei dschihadistische Flaggen und ein Dutzend Molotowcocktails gefunden. Der Fund in dem schwarzen Citroën zeige die islamistische Gesinnung der Täter und deute darauf hin, dass sie womöglich weitere Anschläge geplant hätten, hieß es.

Nach der Attacke auf Charlie Hebdo hatte die Regierung die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. 800 zusätzliche Soldaten wurden zum Schutz von Medienredaktionen abgestellt. Der Donnerstag wurde zudem zum Tag nationaler Trauer erklärt. Das Land sei ins Herz getroffen worden, sagte Präsident François Hollande. Weltweit bekundeten Menschen ihre Solidarität mit den Opfern.

Laut Premierminister Manuel Valls sind die beiden Hauptverdächtigen bereits polizeibekannt. Chérif Kouachi war 2008 wegen Unterstützung des Terrornetzwerks al-Qaida im Irak verurteilt worden (siehe Text unten). Die Ermittler waren den Brüdern auf die Spur gekommen, weil der Personalausweis von Saïd in einem zurückgelassenen Auto entdeckt wurde. Valls sagte, die Verdächtigen seien wahrscheinlich von Geheimdiensten beobachtet worden. Aber „so etwas wie ein Null-Risiko gibt es nicht“. Überall in Europa warnen die Behörden seit Monaten vor dschihadistischen Angriffen von Rückkehrern aus den Konfliktgebieten in Syrien und im Irak. Im Mai hatte ein Franzose bereits im Jüdischen Museum in Brüssel um sich geschossen und vier Menschen tödlich verletzt.

Ein möglicher Komplize der beiden Brüder, der 18-jährige Mourad H., stellte sich am späten Mittwochabend in Charleville-Mézières nahe der belgischen Grenze der Polizei. Nachdem sein Name öffentlich wurde, hatten Mitschüler bei Twitter eine Kampagne gestartet. Ihrer Meinung nach ist der junge Mann unschuldig, da er zum Tatzeitpunkt in der Schule gewesen sei. Unklar ist, was ihm genau vorgeworfen wird. Laut Innenminister Bernard Cazeneuve wurden im Zusammenhang mit dem Anschlag sieben Verdächtige festgenommen. Aus Justizkreisen hieß es, es handele sich um Frauen und Männer, die den Attentätern nahe stehen.

Für weitere Aufregung sorgte am Donnerstagmorgen ein Angriff im Pariser Vorort Montrouge. Dort schoss ein Mann mit einem Schnellfeuergewehr auf Polizisten. Eine Polizistin erlag im Krankenhaus ihren Schusswunden, ein städtischer Angestellter wurde schwer verletzt. Der Täter flüchtete. Die Pariser Staatsanwaltschaft erklärte, es gebe zwar keinen erwiesenen Zusammenhang mit der Attacke auf Charlie Hebdo, die Ermittlungen würden aber von der Anti-Terrorismus-Abteilung geführt.