piwik no script img

Archiv-Artikel

DAS BUCH

Wien, verstaubt

Der entscheidende Hinweis kommt auf der letzten Seite: „Wien, kein bisschen verstaubt: das Museumsquartier“, steht da unter dem Bild. Zu sehen ist die unter freiem Himmel stehende rotgepinselte (in diesem Sommer ockerfarben angemalte) Sitz- und Liegemöbellandschaft, im Hintergrund das Museum Moderner Kunst.

Es gibt also auch ein Wien, das nicht verstaubt ist. Das hätte man bei der Lektüre des schlicht „Wien“ genannten Reiseführers nicht gedacht. Bestehend aus fast ausschließlich aneinandergereihten Literaturzitaten und -ausschnitten wird man mitgenommen in eine Zauberwelt: in ein Wien, das Eierkipfl in Milchkaffee tunkt, das beim Schweinsbraten über den Tod sinniert, das den Mozart hat und den Kaiser und seine wunderschöne Frau Sisi.

„Musik, Musik, Musik, alles dreht sich in Wien um die Musik, um Literatur, Malerei, das schöngeistige Leben“, schreibt Autorin Susanne Schaber. Da sieht man doch gleich ganz Wien tanzen, auf den Bällen einen Walzer nach dem anderen. Dass es neben der Schöngeistigkeit auch Bodenständiges gibt, kritische Stimmen, Protestinitiativen, Subkultur, steht nirgendwo. Ja, es werden Elfriede Jelinek, Josef Haslinger, Robert Menasse zitiert und der Kunstverein Alte Schmiede erwähnt. Doch immer da, wo es echt und gegenwärtig zu werden beginnt, bricht die Autorin gleich wieder ab.

So gibt es auf dem Wiener Naschmarkt zwar neben Käsekrainer und Kraut auch Kebab und Falafel zu erstehen – mehr an gegenwärtigem Leben, gar am Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, möchte die Autorin den LeserInnen aber nicht zumuten. Warum auch – das könnte doch den verklärten Blick auf die schrullig-verstaubt anmutende Kaiserstadt trüben.

Ist es da nicht viel schöner, von einem Wien der guten alten Zeit zu lesen – von einem Wien der Hausmeister beispielsweise? Das es so nicht mehr gibt: Denn anstelle des „Zerberus, des freundlichen, neugierigen, boshaften, liebevollen Hausmeisters“ putzen eben auch in Wien immer mehr Frauen, die unter oft zweifelhaften Bedingungen bei Reinigungsfirmen beschäftigt sind. CHRISTINE ZEINER

Susanne Schaber: „Wien – Ein Reisebegleiter“, Insel Taschenbuch, 2007, 10 €