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Archiv-Artikel

Die Linke gründet sich im Norden

Die Partei „Die Linke“ hat ihren Landesverband Schleswig-Holstein gegründet. Vorausgegangen war ein schwieriger Fusionsprozess zwischen Linkspartei und WASG. Die rund 75 Delegierten fassten den Gründungsbeschluss einstimmig

Die Delegierten applaudierten stehend, einen Moment wurde es ganz feierlich: Da war sie gegründet, „Die Linke“ in Schleswig-Holstein, der Zusammenschluss aus Linkspartei und WASG. Historischer Moment am historischen Ort: Der Gründungsparteitag fand im Kieler Legienhof statt, in dem 1918 der erste Arbeiter- und Soldatenrat gegründet wurde. Aber von Revolution war gestern wenig zu spüren, schließlich ist eine Parteigründung vor allem eine Sache von Formalien und Personalien.

Für die neue Partei sind diese Punkte aber entscheidend, und sie enthielten genug ideologischen Pfeffer: „Jetzt können wir die alten Streitereien in einer Partei fortsetzen“, sagte Björn Radcke, ehemals WASG. Unter anderem ging es um die Frage, wer der neuen Partei vorstehen soll und wie sie Beschlüsse fasst. Am Ende der Debatte entschieden die 75 Delegierten sich für einen kollektiven Vorstand mit Sprecherin und Sprecher. Dem Vorstand wird ein Landesausschuss überstellt, den die Kreisverbände besetzen. Gösta Beutin, einer der Kandidaten für den Sprecherposten, hatte diesen Vorschlag eingebracht: „Wir sollen Abschied nehmen vom alten Partei-Modell und Demokratie wagen.“ Andere, etwa Raju Sharma, plädierten für einen Vorstand mit klaren Funktionen. Wer einen Kuchen backen wolle, müsse wissen, wer Eier und wer Milch besorgt, sagte Sharma: „Meine Sorge ist, dass die schon beim Einkaufen scheitern.“ Vorstand und Landesausschuss könnten sich gegenseitig blockieren, fürchten Gegner des Modells.

Trotz inhaltlicher Debatten und obwohl der Zeitplan nicht eingehalten wurde – „das läuft doch ganz geordnet ab“ – freute sich einer der Organisatoren. Tatsächlich hat „Die Linke“, der in Schleswig-Holstein rund 850 Mitglieder angehören, schon eine feste Struktur mit Kreis- und Ortsverbänden, die meisten Delegierten erledigen dort politisches Alltagsgeschäft. Das müssen sie auch, schließlich wollen sie bei den Kommunalwahlen 2008 flächendeckend antreten. Die Chancen auf Einzug in Kreistag und Rathäuser stünden gut, sagte ein Delegierter: „Zurzeit melden sich wöchentlich neue Mitglieder.“

Für den Blick auf die große Politik hatte die Partei ihren Vorsitzenden Lothar Bisky eingeladen. Das Ziel der nächsten Jahre sei, in alle Landtage gewählt zu werden, bei den Europa- und den Bundestagswahlen könnte das Ergebnis sogar zweistellig ausfallen: „Wir haben diese Chance, das ist neu“, sagte Bisky. Die anderen Parteien würden das erkennen: „Darum gibt es Kritik, die nicht immer sachlich ist. Aber da sollten wir nachsichtig sein.“ Ignoranz sei keine politische Lösung, das werde vielleicht auch der Kieler Innenminister und SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner irgendwann feststellen.

Nach der Satzung ging es um Inhalte: Zwei Leitanträge standen zur Debatte, in beiden ging es um die großen Linien – für Frieden, für die Abschaltung der Atomkraftwerke, gegen Studiengebühren, gegen Hartz IV, gegen die Rente mit 67. Mehr ins Detail ging es bei diesem Parteitag nicht: Zu vielen landespolitischen Fragen gibt es noch keine klaren Positionen, sie sollen erst bei späteren Parteitagen entwickelt werden.

Gestern wurde auch über Personalfragen entschieden. Bis zum Redaktionsschluss lagen allerdings noch keine Ergebnisse vor. ESTHER GEISSLINGER