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Archiv-Artikel

Nachspiel hat ein Nachspiel

Hektisch organisiert der Fußball-Verband das vom Berliner Landgericht angeordnete Wiederholungsspiel, das der jüdische Verein Makkabi erkämpft hat. Viel ist noch unklar

Bernd Schultz jagt von einer Sitzung zur nächsten. „Wir werden das Spiel kurzfristig durchführen und müssen das jetzt anleiern“, sagt der Präsident des Berliner Fußball-Verbandes (BFV) zwischendurch. Um welche Partie es geht, muss Schultz nicht erläutern. Das Urteil des Landgerichts Berlin von vergangener Woche hat viel Aufsehen erregt.

Das Gericht hat veranlasst, dass die Partie zwischen Mariendorfer SV II und TuS Makkabi II vom 3. Juni 2007 wiederholt werden muss. Nicht weiter tragisch, könnte man meinen, handelt es sich doch „nur“ um ein 0:0 unter Feierabendkickern. Weil Makkabi dadurch jedoch den Aufstieg in die Kreisliga A verspielte, rief der Club aus Charlottenburg nach langem Hickhack mit dem BFV ein ordentliches Gericht an. Damit ist die Sportgerichtsbarkeit ausgehebelt worden.

„Es kann nicht sein, dass ein Verbandsgericht gegen seine Rechtsordnung verstößt und den Fehler auch noch zugibt, ohne Konsequenzen zu ziehen“, begründet Tuvia Schlesinger, Präsident des TuS Makkabi, das ungewöhnliche Vorgehen. Zur Vorgeschichte des juristischen Nachspiels: Im September 2006 wurde in der Kreisliga B das Gastspiel des jüdischen Clubs Makkabi bei VSG Altglienicke II wegen antisemitischer Parolen einiger Zuschauer abgebrochen. Der BFV ordnete ein Wiederholungsspiel an, das wegen eines Unwetters erneut vorzeitig beendet werden musste. Im dritten Anlauf siegte Altglienicke 2:0, setzt aber nicht spielberechtigte Kicker ein. Makkabi protestierte und bekam vor dem BFV-Sportgericht Recht. In der Berufungsverhandlung kassierte der Verband das Urteil und erklärte Altglienicke zum Sieger. Die am „grünen Tisch“ verlorenen Punkte fehlten der Makkabi-Reserve am Saisonende 2006/2007 zum Aufstieg in die Kreisliga A.

Was passiert, wenn das Beispiel Schule macht?

In der Folge unterlief dem Verband ein Formfehler zum Nachteil von Makkabi. Zwar entschuldigte sich der Verband, verweigerte dem Verein trotzdem den Aufstieg. Daraufhin zogen die Charlottenburger vor das Landgericht. „Wir sind damit nicht glücklich“, so TuS-Präsident Schlesinger über das Kreisliga-Gezerre. Er hat als Kompromiss vorgeschlagen, die Kreisliga A mit Makkabi II auf 17 Vereine aufzustocken. Der BFV lehnte ab. „Vielleicht sind wir unbequem, weil wir den Mund nicht halten“, sagt Schlesinger über den schwelenden Zwist mit dem BFV.

Der Landesverband steht nun vor dem Problem, dass ein Verein die autonome Sportgerichtsbarkeit ausdribbelte und vor den staatlichen Kadi zog. Der Deutsche Fußball-Bund verfolgt das Berliner Kreisliga-Spektakel mit Argusaugen. Was ist, wenn das Beispiel Schule macht?

Vorläufig gibt die vom Landgericht zum Aufstiegs-„Endspiel“ nominierte Partie von Makkabi II bei SV Mariendorf II genug Rätsel auf. „Was hat denn Mariendorf damit zu tun?“, fragt Schlesinger. Nichts, außer dass der SVM am 3. Juni 2007 das Saisonfinale gegen Makkabi II bestritt. Der BFV muss jetzt definieren, ob es sich bei dem höchstrichterlich angeordneten Retro-Kick um ein Wiederholungs- oder Entscheidungsspiel dreht.

Makkabi-Präsident Schlesinger sagt: „Bei einem Wiederholungsspiel müssten wir unter den Bedingungen vom 3. Juni spielen, also auch mit den Spielern von damals. Einige sind aber zu anderen Vereinen gewechselt.“ Im Falle eines Entscheidungsspiels könnte Makkabi wohl sogar seine aktuelle 1. Mannschaft aus der vier Klassen höheren Verbandsliga einsetzen. „In dieser Sache gibt es keinen Sieger. Verlierer ist der gesamte Fußball“, ahnt Schlesinger. Denn der Staat greift in die „schönste Nebensache der Welt“ ein. JÜRGEN SCHULZ