: Tödliche Liebe
Hamburgs beliebtester See wird von der Menge der Badenden erstickt. Der Eichbaumsee in den Vier- und Marschlanden wird für zwei Jahre gesperrt. Es sei, sagen die Behörden, die letzte Chance
Die Hansestadt verfügt über 13 natürliche oder naturbelassene Badeseen. Fast alle liegen im Bezirk Wandsbek sowie in den Vier- und Marschlanden. Nur der Bezirk Nord hat mit dem Naturbad Kiwittsmoor und dem Freibad im Stadtpark noch zwei Seen aufzubieten. Alle sind in der Regel ökologisch und hygienisch in gutem Zustand. Das größte Sorgenkind neben dem Eichbaumsee ist der Öjendorfer See. Er ist zurzeit ebenfalls gesperrt – wegen Salmonellen. Die Qualität aller Badegewässer wird regelmäßig vom Institut für Hygiene untersucht. Die Befunde und weitere Infos zu den Seen finden sich unter www.badegewaesser.hamburg.de. Darüber hinaus hat Hamburg auf der Insel Neuwerk im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer sogar einen Badestrand an der Nordsee zu bieten. SMV
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Es ist die Notbremse. In Hamburgs größtem und beliebtestem Badesee, dem Eichbaumsee an der Dove-Elbe in den Vier- und Marschlanden, ist zwei Jahre lang das Baden verboten. Es ist „die wahrscheinlich letzte Chance, das mit Nährstoffen hoch belastete Gewässer als Badesee zu erhalten“, sagte Michael Meyer-Jenin von der Hamburger Umweltbehörde gestern bei einem Expertengespräch mit Journalisten. Der zwischen 1972 und 1978 entstandene Baggersee sei inzwischen „in Fachkreisen bundesweit berüchtigt“ für seine regelmäßigen Blaualgen-Epidemien.
In dieser Saison war der 1.000 Meter lange und zwischen 220 und 280 Meter breite See gar nicht erst zum Baden freigegeben worden. Denn die Blaualgen, die sich sonst oft ab Juli wie ein giftiger Film auf die Oberfläche legen, waren in diesem Jahr schon seit Februar quicklebendig – „eine Folge des milden Winters“, seufzt Meyer-Jenin.
Seit Anfang der 90er Jahre wurden bereits knapp 900.000 Euro investiert, um den bis zu 16 Meter tiefen See zu retten. Belüftungsanlagen auf dem Grund reicherten das Wasser mit Sauerstoff an – zunächst mit Erfolg. Ab 1996 aber verschlechterte sich der Zustand wieder, nicht zuletzt wegen der elf heißesten Sommer in Hamburg seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Im warmen Wasser vermehren sich die Blaualgen explosionsartig.
Auch so genannte „Manipulationen an der Fresskette“ halfen nicht weiter. Über 300 Hechte wurden im See ausgesetzt, um den Bestand an Karpfen und anderen Fischen in Grenzen zu halten. Diese Fische fressen gerne Wasserflöhe, die der einzige natürliche Feind der Blaualge sind. Die Hechte jedoch fielen allesamt illegalen Anglern zum Opfer, und die Blaualgen blühten wieder auf.
Hinzu kommt „der Badedruck“, sagt Helmut Hoffmann vom Umweltamt des zuständigen Bezirksamtes Bergedorf. Denn der Eichbaumsee erstickt an seiner Beliebtheit. Bis zu 1.000 Menschen tummeln sich werktags im Sommer, an schönen Wochenenden noch deutlich mehr. Jeder Badegast trägt etwa 100 Milligramm Phosphor ins Wasser ein. Während einer gewöhnlichen Badesaison wird der Eichbaumsee so mit mehreren Kilo Phosphor angereichert – eine Wohltat für die Algen.
Der See habe, so ist die Erkenntnis von Robert Dannenberg vom Hygieneinstitut, „kein hygienisches Problem“. Es sei einzig der Nährstoffeintrag der Badenden, der den aufgrund natürlicher Gegebenheiten schlecht durchlüfteten See so häufig umkippen lasse.
Deshalb wird nun die letzte Karte gespielt. In zwei Jahren ohne Badende „könnten“, Meyer-Jenin legt „auf den Konjunktiv ausdrücklich Wert“, die Lüftungsanlagen den Eichbaumsee retten. Jedenfalls sei das Wasser dann „zumindest sauberer“, fügt er hinzu. „Und wir schlauer.“