: Mehr Personal hinter Gittern
Die Polizeigewerkschaft fordert mehr Justizpersonal, um den öffentlichen Drogenschmuggel in Plötzensee zu beenden. Das Problem selbst werde so nicht gelöst, sagen Suchtexperten. Vielmehr sollten Sozialarbeiter eingestellt werden
Die Sammlung ist beeindruckend: 400 Handys haben die Sicherheitsbeamten der Jugendstrafanstalt Plötzensee seit Anfang des Jahres beschlagnahmt. Dazu kommen eine bisher unbekannte Anzahl Pakete mit meist weichen Drogen wie Haschisch und Snacks für die Insassen, vor allem fertige Döner. Das alles kam per Luftpost – mutmaßliche Komplizen und Freunde der Inhaftierten werfen die illegalen Carepakete über die Mauer des Knasts; die Insassen fischen sie auf – offenbar meist unbemerkt. So funktioniert das schon seit Jahren – mit Wissen der Anstaltsleitung. Trotzdem ist der Sturm der Entrüstung groß, seit das TV-Magazin „Kontraste“ vergangene Woche darüber berichtete.
Die Gefangenen haben eine Technik entwickelt, die es ihnen ermöglicht, abgeworfene Pakete aus dem Hof nach oben zu „angeln“. An einer gerollten Zeitung wird eine verbogene Küchengabel fixiert. Dieser Greifer wird an einer Schnur in den Hof herabgelassen. Damit lässt sich das Paket von draußen angeln und ans Gitterfenster hochziehen. Selbst Päckchen von der Größe eines Schuhkartons landeten so in den Zellen der Häftlinge. Immerhin: Waffen wurden auf diese Weise offenbar noch nicht in den Knast geschmuggelt – zumindest habe man bisher keine gefunden, so die Knastleitung.
Drogenschmuggel ist kein neues Problem. Abnehmer sind Gefangene, die schon vor Haftantritt an einer Suchterkrankung leiden, sowie Insassen, die den tristen Knastalltag durch Drogenkonsum „erträglicher“ gestalten wollen. „Drogenschmuggel ist Alltag. In Plötzensee war es nun etwas spektakulärer und medienwirksamer“, sagt Robin Walborn, seit sieben Jahren Drogenberater in der JVA Tegel, in der nur erwachsene Strafgefangene einsitzen. Die Haftanstalten führen regelmäßige Drogentests durch. Dennoch gibt es Gefangenenhäuser, deren Insassen mehrheitlich mit Drogenproblemen zu kämpfen hätten, so der Sozialpädagoge.
Klaus Eisenreich sieht das nicht so entspannt. Der Berliner Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist erbost über die Zustände in Plötzensee: „Überall im öffentlichen Dienst wird gespart. Nun ist eine Grenze überschritten, wie auch jeder Laie sieht.“ Die Beamten arbeiteten am Limit. Zu wenig Personal bedeute auch zu wenig Überwachung, so Eisenreich. Er fordert drastische Konsequenzen: „Entweder kommt es zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, oder die Staatsanwaltschaft fängt an zu ermitteln.“ An die Adresse des Senates sagte Eisenreich: „Die Justizsenatorin tut so, als sei sie nicht zuständig. Auch der Regierende Bürgermeister haut nicht mit der Faust auf den Tisch.“
Dass sich das Problem allein durch mehr Justizpersonal lösen lassen, bezweifeln allerdings Experten wie Drogenberater Walborn: „Vielleicht werden durch mehr Personal größere Mengen konfisziert. Der Bedarf wird aber auch dann immer noch groß sein.“ Er glaubt, dass es vor allem an Sozialarbeitern fehle, die die Gefangenen auf ein Leben nach der Haft vorbereiten sollen. So gebe es in Plötzensee keine regelmäßigen Drogensprechstunden. Externe Suchtberater seien nur nach Absprache vor Ort.
Häftlinge teilen diese Kritik. Drogen seien fester Bestandteil des Knastlebens, so ein Gefangener. Er beklagte, dass es zu wenig Personal gebe, um den Konsum zu überwachen. Zudem seien die Justizbeamten zu schlecht ausgebildet, um der Lage Herr zu werden. JON MENDRALA