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Archiv-Artikel

„Weitgehende Leerstelle“

ERINNERUNG Diskussion über Hamburgs Umgang mit Kolonialdenkmälern im öffentlichen Raum

Von PS
Jürgen Zimmerer

■ 49, Professor für die Geschichte Afrikas an der Uni Hamburg, leitet die Forschungsstelle „Hamburgs postkoloniales Erbe“.

taz: Herr Zimmerer, wie stark hat Hamburg vom Kolonialismus profitiert?

Jürgen Zimmerer: Hamburg ist die Stadt in Deutschland, die am stärksten vom Kolonialismus profitierte und am stärksten in den europäischen Kolonialismus involviert war.

Was vor allem am Hafen liegt.

Ja. Er ist das Tor zur Welt, was bis Mitte des 20.  Jahrhunderts hieß: das Tor zur kolonialen Welt.

Hat Hamburg das genügend reflektiert?

Nein. Was wir aber jetzt haben, sind löbliche Anfänge, die Hamburg durchaus zu einem Vorreiter bei der Aufarbeitung von Kolonialismus machen. Aber es sind eben Anfänge.

Sie meinen das 2014 aufgelegte Gedenkkonzept des Senats.

Ja. Es kündigt, wie ich es verstehe, an, dass sich der Senat um ein stadtweites Erinnerungskonzept bemüht. Dafür erarbeitet unsere für zunächst drei Jahre eingerichtete Forschungsstelle „Hamburgs postkoloniales Erbe“ an der Universität die wissenschaftliche Grundlage.

Die Diskussion heute Abend wird sich mit Hamburgs kolonialem Erbe im öffentlichen Raum befassen. Wird das kritisch genug reflektiert?

Nein. Diese Auseinandersetzung ist weitgehend eine Leerstelle. Um sie mit Inhalt zu füllen, wird unsere Forschungsstelle den historischen Hintergrund liefern, um Plätze, Häuser, Büsten zu identifizieren. Konkret werden wir eine Liste mit den 25, 30 wichtigsten Orten erstellen, die für das koloniale Erbe stehen. Dazu werden wir Geschichte und Erinnerungsgeschichte aufzeichnen. Danach ist zu überlegen, wie man damit umgeht und diese Information in angemessenes Gedenken umsetzt.

Wie kann kritisches Erinnern funktionieren? Indem man an die Schimmelmannstraße „Kolonialist“ schreibt?

Nur ein zusätzliches Schild anschrauben reicht nicht. Aber wenn man es flächendeckend schafft, das Bewusstsein der Leute zu wecken für bestimmte Namen und wofür sie stehen, kann das Schild ganz anders wirken. Denn es ist Folge der kolonialen Amnesie, dass die Leute nichts wissen oder falsche Vorstellungen vom Kolonialismus haben.

Welche zum Beispiel?

Da wären das Leugnen und dasVerharmlosen zu nennen. Oder aber das Romantisieren, Exotisieren, Verklären des Kolonialismus als Vorform der Entwicklungshilfe. INTERVIEW: PS

„Stadtgespräch #3. De/Koloniales Hamburg“ mit der „Hamburg Postkolonial“-Aktivistin Tania Mancheno und Jürgen Zimmerer: 19 Uhr, Büro Stadtkuratorin, Hafenstr. 96