: Die Norddeutschen sind uneins
Alle strittigen Themen wurden beim Treffen der norddeutschen Ministerpräsidenten im Vorfeld der Föderalismus-Kommission ausgeklammert. Wulff: „Jeder muss seine Hausaufgaben erledigen“
Von KLAUS WOLSCHNER
Die Ministerpräsidenten der norddeutschen Bundesländer haben gestern in Bremen gemeinsam zu Mittag gegessen und danach anderthalb Stunden getagt, um über die Klausurtagung der Föderalismuskommission am 13./14. September zu sprechen. Wenn die Norddeutschen sich einig wären, hätten sie ein Drittel der Stimmen im Bundesrat, erklärte Peter-Harry Carstensen (CDU) aus Schleswig-Holstein. In Norddeutschland sei die ganze Breite der Interessenlagen vertreten, Ost- und Westländer, Geber und Nehmer – meinte Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) und erklärte damit, warum man viel Einigkeit nicht erwarten kann. Alle wollten dabei eine kleine, „machbare“ Lösung – das geht gegen die Forderung nach mehr reformerischem Mut, wie sie jüngst von ehemalige Politikern um den Altbundespräsidenten Roman Herzog vorgetragen wurde.
Bei allen anderen Themen blieb es offenbar beim offenen Meinungsaustausch. Auch die norddeutschen Bundesländer sperren sich nicht gegen eine „Schuldenbremse“ in den Länderverfassungen. Wie strikt die aber sein soll, das ist die offene Frage. Klar ist, dass die Länder dabei ihre Altschulden loswerden wollen („Schuldenfonds“). Dieser Fonds muss Kommunalschulden umfassen und soll über die Mehrwertsteuer finanziert werden, hatte Carstensen vorgeschlagen. Aber er hoffte vergeblich auf eine Unterstützung seiner norddeutschen Kollegen für diesen Vorstoß. „Ich fürchte, das wird so nicht durchsetzbar sein“, meinte Ole von Beust (CDU): Die wirtschaftsstarken Länder müssten dann besonders viel zahlen – für die Schulden der Schwachen. „Jeder muss seine Hausaufgaben erledigen“, meinte der Niedersachse Christian Wulff (CDU).
Über den Prozess, den Bremen in Karlsruhe führt und in dem sich alle norddeutschen Nachbarn gegen Bremen positioniert haben, wurde offenbar nicht geredet. Bremen habe die Sanierung seiner Staatsfinanzen „nicht einmal ernsthaft in Angriff genommen“, trotz der Milliarden-Hilfe, hatte der Hamburger Klagevertreter Stefan Korioth formuliert, von dem sich auch die anderen Norddeutschen vertreten lassen. Die Klageschrift enthalte juristische Argumente, erklärte von Beust dazu auf Nachfrage, er sei „überfordert“ zu sagen, ob er das auch politisch so sehe.
Mit Roman Herzog hatten unter anderem der frühere Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi und der ehemalige Wirtschaftsminister Wolfgang Clement ein Papier zur Föderalismusreform II vorgestellt, in dem sie mehr Mut zu weitergehenden Reformen fordern. Föderalismus bedeute auch „produktive Unterschiede“ zwischen den Ländern und weniger Nivellierung ihrer Finanzkraft. Eine Einheitlichkeit der Lebensbedingungen – die das Grundgesetz verlangt – sei „weder erstrebenswert noch wünschenswert“. Die Hürden für Länderfusionen müssten gesenkt werden. „Finanzielle Eigenverantwortung bedeutet auch, dass die Kosten der Aufrechterhaltung eines Bundeslandes von dessen Bürgern selbst getragen werden“, heißt es da.
Offenbar haben die ehemaligen Politiker da das ausgesprochen, was sie nie laut zu sagen wagten, als sie noch im Amt waren. Auf der Konferenz der amtierenden norddeutschen Ministerpräsidenten wurde darüber folgerichtig auch nicht geredet.