: Alte Bekannte im neuen Gewand
ANTIFA Eine neue Gruppe, die Radikale Linke, könnte die Lücke schließen, die nach der Auflösung der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) im September entstand. Man will aus den Nischen raus
Kurz sah es so aus, als hätten die Aktivisten des Schwarzen Blocks die weißen Fahnen gehisst. Doch ein leuchtend rotes Transparent auf der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration am vergangenen Sonntag verrät Gegenteiliges. Darauf fordert die neueste linksradikale Gruppe der Stadt, die Radikale Linke Berlin, ebendies: „Die radikale Linke aufbauen“. Die Gruppierung könnte die Lücke schließen, die nach Auflösung der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) im September entstanden war. Über Jahre hinweg war die ALB zentraler Akteur im Antifa-Spektrum, organisierte etwa die Revolutionäre-1.-Mai-Demonstration. Ein Teil der ehemaligen ALB-Mitglieder mischt in der neuen Gruppe mit; zusammen mit Ex-Aktivisten der Gruppe Antifaschistische Revolutionäre Aktion Berlin (Arab), die jüngst ihren mehrheitlichen Beitritt zum trotzkistischen Bündnis Neue Antikapitalistische Organisation (Nao) verkündete.
Der Berliner Verfassungsschutz spricht in einer Analyse von „alten Bekannten in neuem Gewand“, die „vor allem eines eint: Militanz“. In der Behörde geht man davon aus, dass die Gruppe aufgrund der Erfahrungen der beteiligten Aktivisten „aus dem Stand heraus eine tragende Rolle einnehmen“ wird.
Es ist nicht Militanz
Die Radikale Linke Berlin reagierte auf die Analyse der Verfassungsschützer. In einem Schreiben, das auf ihrer Website veröffentlicht wurde, bedankte man sich für die „medienwirksame Vorstellung“ ihrer Gruppe. Der Analyse der Verfassungsschützer widersprach man hingegen: „Nein, es ist nicht die Militanz, die uns eint, uns eint die einfache Erkenntnis, dass die Verhältnisse so, wie sie sind, nicht gut sind.“
Die bisherigen Aktivitäten der Gruppe, etwa ihre Teilnahme an der antifaschistischen Silvio-Meier-Demonstration, deuten darauf hin, dass die Aktivisten an den Themenschwerpunkten ihrer ehemaligen Gruppen festhalten. In ihrer Auflösungserklärung hatte die ALB dagegen einen klaren Bruch mit ihrer bisherigen Praxis eingefordert. So wurde etwa die Krise klassischer Antifa-Politik diagnostiziert. Angesichts des europaweiten Erfolges rechtspopulistischer Parteien wie der AfD seien die alten Reaktionsmuster nicht mehr zeitgemäß.
Aus dieser Analyse heraus hat sich der andere Teil der ehemaligen ALB-Mitglieder mittlerweile in die Interventionistische Linke (IL) eingebracht, deren mehr als 20 Gruppen bundesweit dabei sind, zu einer gemeinsamen Organisation zusammenwachsen. In Berlin verschmelzen vier bislang eigenständige Gruppen zu einer IL-Gruppe mit bis zu 200 Mitgliedern. Christoph Kleine, seit Gründung der IL im Jahr 2005 an vorderster Front dabei, erhofft sich durch den aktuellen Verschmelzungsprozess, die Linksradikalen wieder „handlungsfähig“ zu machen. „Wir denken Radikalität nicht im Widerspruch zu Bündnisoffenheit und Wirksamkeit“, sagt Kleine über die strategische Ausrichtung des Zusammenschlusses. Für Kleine geht es darum, „sich nicht in politischen Nischen einzuigeln. Die Auflösung der ALB war für ihn „klärender Teil eines neuen Aufbruchs“.
Den befürchtet anscheinend auch der Berliner Verfassungsschutz, der auf Betreiben vom zuständigen Innensenator Frank Henkel (CDU) den Kampf gegen Linksradikale zum Schwerpunkt erklärt hat. Die Auflösung der vormals wichtigsten Berliner Antifa-Gruppe hat die Situation in ihren Augen verkompliziert. So spricht man von „immer mehr und kleineren Cliquen“ auf der einen und „immer größeren und zunehmend überregional agierenden Organisationen“ auf der anderen Seite. ERIK PETER