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Archiv-Artikel

Purzelbäume gegen einen Kaiserschnitt

Rund zehn Prozent der Babys liegen vor der Geburt falsch im Bauch der Mutter. Naturheilmethoden können ein Kind zum Drehen bewegen

Da stand es. Schwarz auf weiß im Mutterpass auf Seite sieben: „BEL.“ Drei Buchstaben, die der Dresdnerin Laura K. im siebten Monat ihrer Schwangerschaft „richtig Angst einflößten“. Denn BEL steht für „Beckenendlage“, eine Position, bei der das Baby mit dem Kopf nach oben liegt. Da das Risiko bei diesen Geburten erhöht ist, riet der Frauenarzt Laura auch gleich zum Kaiserschnitt. Sein Argument: Nur wenige Kliniken beherrschen die spezielle Art der Geburtshilfe bei Beckenendlagen. Doch Laura K. wollte keine Operation. „Ich suchte mit meiner Hebamme nach Möglichkeiten, die mein Kind doch noch zum Drehen bewegen könnten – und fand eine“, freut sie sich heute.

Die Probleme von Beckenendlagen und die Verzweiflung jener Mütter – all dies kennt die Berliner Geburtshelferin Elvira Schüßler nur zu gut. Sie wendet darum einige Alternativmethoden zum Drehen des Kindes an. Jedoch kann sie Schwangeren „nur selten sagen, warum ein Kind ‚verkehrt‘ liegt“. Ursachen können physische oder psychische Belastungen, eine verspannte Gebärmutter, eine zu kurze Nabelschnur oder Myome sein. Schüßler meint, dass Stress eine große Rolle spielt. Viele der sanften Wendepraktiken zielen daher auf Entspannung und den Dialog mit dem Kind ab – wie zum Beispiel die Übung „Indische Brücke“. „Dazu rate ich Frauen mit Beckenendlagen ab der 35. Schwangerschaftswoche“, erklärt Schüßler. Bei dieser Technik legt sich die Frau auf den Rücken, lagert Bauch und Becken hoch, entspannt Kopf und Arme und lässt die Unterschenkel für 15 Minuten angewinkelt nach unten hängen. Das so entstehende Hohlkreuz empfinden Ungeborene meist als so unangenehm, dass sie sich bei der Übung drehen.

Eine weitere Möglichkeit, ein Kind zum Drehen zu animieren, sieht Schüßler ab der 36. Schwangerschaftswoche in der Moxibustion. Bei dieser Wärmebehandlung reizt die Hebamme den Akupunkturpunkt „Blase 67“ am kleinen Zeh mittels angezündeter Kräuter wie Ingwer und Beifuß. Die Wärme strömt über die Blasenleitbahn am Uterus vorbei. „Das stimuliert die Energiebahnen so sehr, dass Babys einen Tag lang turnen“, sagt Schüßler. Immerhin: 51 Prozent drehen sich dabei, so eine Studie der Uni Mannheim. Wobei gilt: Je früher „gemoxt“ wird, desto besser. Gynäkologe Achim Kürten, Leiter des Zentrums für Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) am St.-Hedwig-Krankenhaus Berlin, rät ab der 28. Schwangerschaftswoche dazu: „Weil das Baby im Bauch da noch mehr Platz zum Drehen hat.“ Die TCM verspricht dann eine Erfolgsquote von 80 Prozent, bei bis zu vier Sitzungen im Abstand von zwei Tagen. Bei einer Elektroakupunktur des kleinen Zehs erzielt die TCM oft schon nach zwei Sitzungen Erfolge.

„Sollten frühzeitige Wendeversuche wirkungslos bleiben, ist es wichtig, nicht panisch zu werden, sondern weiterhin in sich zu ruhen“, betont Geburtshelferin Heike Höhle vom Dresdner Hebammenhaus. „Eine Beckenendlage ist keine Lage-Anomalie, wie einem oft glauben gemacht wird, sondern für einige Babys eben die beste Position“, sagt sie. Die Berliner Hebamme und Naturheilkundlerin Antchen Goldenstein pflichtet ihr bei und ergänzt: „Wer als Mutter gelöst und selbstsicher bleibt, kann bis zuletzt alternative Wendemöglichkeiten ausprobieren, etwa mit Klangkugeln oder Lichtkegeln.“ In beiden Fällen wird versucht, die von Natur aus neugierigen Babys mit Glocken oder Licht „nach unten zu locken“. Osteopathische Behandlungen oder eine Cranio-Sacral-Therapie könnten außerdem „energetisch blockierte Becken wieder lösen und dem Baby mehr Platz verschaffen“.

Jene, die auch damit kein Glück haben, sollten vor der Entbindung eine Beckenendlage-Sprechstunde besuchen – zum Beispiel bei Oberärztin Dr. Gabriele Gossing an der Frauenklinik der Charité Berlin. Die erfahrene Medizinerin sagt: „Wir unterstützen Frauen, die eine vaginale Geburt trotz Beckenendlage möchten und klären sie auch über die ‚äußere Wendung‘ auf.“ Dabei versuchen Ärzte, das Kind per Hand zu einer Vorwärts- oder Rückwärtsrolle zu bewegen. Dieser Eingriff ist jedoch nur in einer Klinik möglich, da in seltenen Fällen Wehen eingeleitet werden oder Komplikationen auftreten. Trotzdem: „90 Prozent der Frauen, für die aus medizinischer Sicht eine Wende in Frage kommt, entscheiden sich dafür“, weiß Gossing. Aber nur die Hälfte der Babys purzelt dabei tatsächlich in die Idealposition. JANET WEISHART