: Katzenjammer bei der CDU
Nach der Wahlniederlage im Mai sucht die Union in Bremen verzweifelt nach einem Erfolgsrezept. Modern und konservativ will sie sein – und vor allem erfolgreich. Von einer absoluten Mehrheit wie in Hamburg aber träumt in Bremen niemand
AUS BREMEN KLAUS WOLSCHNER
Zwölf Jahre hat die CDU in Bremen mitregiert – die WählerInnen haben das mit dem zweitschlechtesten Wahlergebnis in der Parteigeschichte quittiert: Auf 25,7 Prozent fiel sie zurück im Mai 2007. „Auf dem Weg zur Splitterpartei“ sieht der frühere Bausenator Jens Eckhoff seine Partei. Und in einem ebenfalls internen Positionspapier formuliert der ehemalige Wirtschaftssenator Jörg Kastendiek als Fazit, die CDU habe durch ihre Regierungsbeteiligung an Zustimmung verloren. Was hat sie falsch gemacht, was soll sie lernen aus der Wahlniederlage? Das ist das Thema einer Klausurtagung an diesem Wochenende.
„Der Weg kann nicht das Ziel sein“, heißt es in einem der Papiere, „30 Prozent plus“ müsse das Wahlziel sein. Die Bremer CDU, die sich bei den jüngsten Wahlen als Gefangene einer Koalition mit der SPD präsentiert habe, müsse offen werden für Bündnisse mit der FDP und den Grünen.
Dass die CDU allein eine absolute Mehrheit erreichen könnte, erscheint den Bremern unvorstellbar. Nur 33 Prozent der Bevölkerung glaubt, dass die CDU zum Bundesland Bremen passt, hatte die Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Partei schon im Jahre 2004 herausgefunden. Nur in der Wirtschaftspolitik werde der CDU Kompetenz zugetraut, und ausgerechnet da hat sie in vier Jahren drei Senatoren verschlissen. Am Ende sei auch die Investitionspolitik ins Gerede gekommen.
Die CDU soll sich in Zukunft als „Volkspartei der Mitte“ präsentieren, als „moderne Großstadtpartei“, da sind sich die meisten einig. Aber was heißt das? Der quirlige Eckhoff, der diese Frage schon vor vier Jahren aufwarf und sich damals damit in seiner Partei isolierte, konstatiert, die CDU trete als personifizierte Finanz- und Wirtschaftspolitik auf, nicht aber „sympathisch und menschlich“. Er will der Bremer CDU eine Modernisierung verpassen. Beispiel eins: Den Ausstieg aus der Atomenergie sollte sie „nicht mehr in Frage stellen“ und stattdessen offensiv auf Windenergie setzen. Beispiel zwei: Eine innerparteiliche Zehn-Prozent-Quote für Menschen mit Migrationshintergrund soll ein neues Wählerpotenzial erschließen. Beispiel drei: „Einführung des Familienwahlrechts“. Damit meint er eine „ergebnisoffene“ Debatte über die Frage, ob nicht Eltern für ein Kind ein zweites Stimmrecht bekommen sollen.
Gegen diesen Kurs der Modernisierung hat sich die Junge Union ausgesprochen, die eine klar konservative Ausrichtung fordert. Auch die frühere Kultur-Staatsrätin Elisabeth Motschmann lehnt die die bisherigen vorsichtigen Versuche einer Öffnung (beim Thema Mindestlohn oder Kinderkrippen) als „Sozialdemokratisierung“ ab.
Eine Gruppe von Parteifunktionären um Jörg Kastendiek und Helmut Pflugrath, die vor allem verbindet, dass sie nach dem Ende der Regierungsbeteiligung der CDU ihre Posten verloren haben, kritisiert seitenlang den Spitzenkandidaten Thomas Röwekamp und den derzeitigen Zustand der CDU („Entscheidungen werden in Hinterzimmern getroffen“).
Für die neue CDU gibt es aber nur vage Vorstellungen, die auf dem Weg zur Großstadtpartei mehr Fragen aufwerfen, als dass sie Antworten geben, etwa das „Problem des traditionellen Familienbildes der CDU“. Wie sehr an den Formulierungen gebastelt wurde, macht auch folgender Kernsatz deutlich: „Die CDU darf auch zukünftig keine reine Männer-Rentnerpartei mehr bleiben.“
Im Vergleich zu solchen Leerformeln hat die ehemalige Staatsrätin Motschmann von konservativer Seite knallharte Positionen vorgelegt. Die eigenen Stammwähler seien verunsichert worden, schreibt sie, weil man versucht habe, es allen recht zu machen „und dabei das eigene Profil vernachlässigt hat. Nicht bei jedem Thema darf die CDU anstreben, die Mehrheit der Bevölkerung zu gewinnen.“
Auffallend ist, dass niemand in der Bremer Union nach Frankfurt guckt oder etwa nach Hamburg, wo die Parteifreunde durchaus in einer Großstadt absolute Mehrheiten erreichen können. Während Röwekamp als Innensenator kaltschnäuzig über den Tod eines Schwarzafrikaners hinweggegangen ist, dem im Polizeigewahrsam zwangsweise Brechmittel in den Magen gepumpt worden war, hält die Hamburger CDU an der Heroinabgabe für langjährige Drogenabhängige fest – eine undenkbare Vorstellung für die Bremer CDU. Das Wort „Klimaschutz“ findet sich in keinem der derzeit zirkulierenden internen Bremer CDU-Papiere, und Homosexualität kommt in der Bremer CDU nicht vor – jedenfalls nicht offen. Von einer erfolgreichen Großstadt-Partei ist sie weit entfernt.