: Leitsprache Chinesisch: Warum wir alle Zeichen lesen müssen
Man nehme nur das Wörtchen „Wen“, wie im Familiennamen von Chinas Premier Wen Jiabao. Das e hoch betont, bezeichnet es einen freundlichen Menschen, tief gesprochen nimmt man an, dass der Mann einem die Kehle durchschneidet. Natürlich wird der Politiker Wen ganz anders betont. Nur: Kann eine Sprache, die mehr als 40.000 Schriftzeichen besitzt und in der eine etwas andere Betonung schon ins Fettnäpfchen führt, zu einer Weltsprache werden?
Sie kann. Allein die Masse machts. Ein Fünftel der Menschheit spricht schon Chinesisch.
Und Chinesisch hat sich schon längst zu einer Lingua franca der Globalisierung entwickelt. Schließlich soll sich die Prognose der Weltbank erfüllen, die China schon als zweitgrößte Wirtschaftsmacht vor Japan für das Jahr 2020 ausgerufen hat.
Im Internet zeigt sich das bereits: Im Netz verliert die englische Sprache an Bedeutung. Zur Jahrtausendwende war noch mehr als die Hälfte aller Internetinhalte auf Englisch, fünf Jahre später nur noch ein Drittel. Vor allem Chinesisch hat aufgeholt: Von 5,4 auf 13 Prozent haben sich die WWW-Inhalte in chinesischer Sprache mehr als verdoppelt.
“Das nächste Muss ist Mandarin“, sagt der Sprachforscher David Graddol, der versucht hat, die Entwicklung der Weltsprachen zu prognostizieren. 2050, so sein Ausblick, werden sich nur noch 5 Prozent der Menschen auf dem Globus auf Englisch unterhalten, aber mehr als 12 Prozent auf Chinesisch. Die Regierung in Peking unterstützt die Ausbreitung der Sprache. Sie hat 2004 die Konfuzius-Institute gegründet, eine Entsprechung zu den deutschen Goethe-Instituten. Das Ziel: Weltweit 200 Institute bis 2010. Die Zahl der Chinesischlernenden soll in den nächsten Jahren von 30 Millionen auf 100 Millionen ansteigen.
In Deutschland belegten 2005 rund 10.000 Menschen einen Chinesischkurs an einer deutschen Volkshochschule. Noch einmal so viele, schätzt der Fachverband Chinesisch, lernen an der Schule oder Uni die Sprache. Rund 100 Gymnasien im Bundesgebiet bieten die Sprache als Fach, zum Teil bis zum Abitur.
Und das lohnt sich. Denn die Chinesen kommen. Bereits 418.000 Reisende aus dem Reich der Mitte zählte die Bundestagsverwaltung 2006 in Deutschland. Die Tourismusabteilung der UNO schätzt, dass sich die Zahl der Touristen aus China in Europa bis 2010 annähernd verzehnfacht. 4 Millionen also - so viele Touristen, wie derzeit aus den USA nach Deutschland reisen. JÖRN KABISCH