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Archiv-Artikel

„Mich leitet die Intuition“

KÜCHE Mit 19 hatte er die erste Bar, sein erstes Profi-Gericht kochte er für den Bundespräsidenten: Alejandro Ruiz, Meisterkoch von Oaxaca

Taquitos

(für acht Personen)

Zutaten:

1 Jícama (Wurzelknolle der Yambohne)

125 g Chapulines (Heuschrecken)

250 g Cuitlacoche (Maispilz)

250 g Quesillo (weißer Käse aus Oaxaca)

Für die Salsa:

50 g Zwiebeln

2 Knoblauchzehen

10 g Chile Jalapeño (Paprika)

400 g Miltomate (grüne Tomate)

Für die Guacamole:

20 g Limettensaft

2 Zweige Koriander

50 g Zwiebeln

450 g Avocado 1 Granatapfel

Zubereitung: Man zerschneidet die geschälte Jícama in sehr feine Scheiben, gibt diese in eine mit etwas Butter gefettete Auflaufform und lässt sie bei 200 Grad etwa 10 Minuten weich werden. Dann belegt man die Scheiben mit Quesillo, Chapulines und Cuitlacoche und rollt sie ein.

Für die Salsa kocht man die Miltomate und zerkleinert sie dann mit etwas Salz und Zwiebeln in einem Mixer. Für die Guacamole schält man die Avocados, verrührt sie mit Limettensaft und fügt dann Koriander, Salz und Zwiebeln dazu. Mit Granatapfel dekorieren.

© ALEJANDRO RUIZ

INTERVIEW GÜNTER ERMLICH

taz: Wie wird man Meisterkoch von Oaxaca?

Alejandro Ruiz: Mit 15 Jahren habe ich die Schule verlassen. Ich habe als Tellerwäscher in einem Restaurant angefangen, dann als Kellner und Barkeeper gearbeitet und mir die Grundtechniken des Kochens abgeguckt.

Sie haben keine Ausbildung zum Koch gemacht?

Nein, aber in Mexiko ist das normal. Ich komme vom Dorf, meine Eltern waren Bauern, ich bin der Älteste von fünf Geschwistern. Schon früh habe ich von meiner Mutter gelernt, wie man im Molcajete (Steinmörser; d. Red.) Salsa macht und eine Guacamole zubereitet, wie guter Koriander riechen und schmecken muss.

Wie ging es weiter auf der Karriereleiter?

Mit 16 Jahren zog ich an die Pazifikküste, wurde in einem Hotel in Puerto Escondido schnell Chef der Kellnerbrigade. In diesem Hotel gab es viele Stammgäste, aber das Menü war seit 25 Jahren immergleich. Deshalb fing ich an zu kochen, habe den Gästen den Fisch einmal etwas anders serviert. Mit 16 bin ich übrigens auch schon Vater geworden.

Bei Ihnen ging alles offenbar schnell.

Ich war immer schnell. Mit 19 hatte ich schon meine eigene kleine Taquería-Bar. Dann habe ich aber doch noch eine richtige Ausbildung gemacht, zum Lehrer für Englisch als Fremdsprache. Aber eigentlich wollte ich immer schon kochen und mein eigenes Restaurant haben.

Wie haben Sie das schließlich geschafft?

In der Bar El Sol y La Luna in Oaxaca habe ich eines Abends im Jahr 1997 Dieter Kronzucker, den deutschen Fernsehjournalisten, kennen gelernt. Er besaß im historischen Zentrum ein kleines Boutiquehotel und lud mich später dorthin auf einen Kaffee ein. Sofort habe ich gesehen, dass das der perfekte Ort für mein Restaurant sein könnte.

Kurz darauf wurden Sie dann schon Restaurantchef im Casa Oaxaca.

Ja. Aber draußen hing kein Schild, alles lief nur auf Reservierung, die Gäste kamen durch Mundpropaganda. Wir hatten ja nur fünf Tische und 20 Plätze. Wissen Sie, für wen ich das erste Mal so richtig professionell gekocht habe?

Nein.

Eines Tages rief mich Dieter Kronzucker vom Flughafen Buenos Aires an: „Ich bin mit meinem Bundespräsidenten Herzog unterwegs, wir wollen in Oaxaca vorbeikommen. Kannst du für uns etwas kochen?“ Ich war supernervös, aber es klappte gut.

Und was haben Sie dem Präsidenten gekocht?

Einen Salat aus Nopalitos (Blättern des Feigenkaktus) mit Kürbisblüten und Nüssen, gefüllte Zucchini mit einer Salsa aus Chile Poblano (Schokoladen-Chili-Sauce), zum Nachtisch einen Kokosnusspudding und einen Poleo-Tee, das ist ein lokaler Minztee. Aber damals war ich noch kein professioneller Chef. Deshalb schickte mich Señor Kronzucker schließlich nach Europa, ich lernte in Restaurants in San Sebastian und am Gardasee, im VAU in Berlin und in der Weinstube am Tegernsee.

Zwölf Jahre nach der Präsidenten-Episode sind Sie ein gemachter Koch und haben drei Restaurants in Oaxaca.

Aus der Notwendigkeit habe ich ein Konzept gemacht. Ich musste eine Nische suchen, weil ich gegen die etablierten Restaurants mit ihrer traditionellen Küche keine Chance hatte. Die ersten Monate bin ich täglich auf den Markt gegangen und habe mir alle Verkäufer und ihre Produkte genau angeguckt. Wenn man qualitativ gute Produkte hat, kann man auch gutes Essen zubereiten. Das ist kein Geheimnis.

Wie sieht Ihr gastronomisches Konzept aus?

Das ist eine zeitgenössische Oaxaca-Küche mit authentischen Wurzeln. Als Grundzutaten benutze ich regionaltypische Kräuter wie Hoja Santa und Epazote sowie Chile, Mais, Calabaza (Kürbis) und Bohnen, also die Zutaten der prähispanischen Küche; ich kombiniere sie mit Fisch oder Meeresfrüchten, Lamm oder Wild und suche eine ästhetische Präsentation. Aber ich folge nie einem Rezept, sondern lasse mich von meiner Intuition und meinem Gaumen leiten.

Die mexikanische Küche hat in Europa nicht gerade einen guten Klang. Sie gilt als einfach und mächtig, scharf und fettig.

Wir müssen dem spanischen Beispiel folgen. Auch dort waren die Produkte immer schon gut, aber Gerichte wie die Paella lagen schwer im Magen. Dann kam eine neue Generation von Küchenchefs wie Ferran Adrià und Pedro Subijana, die die spanische Küche völlig umgekrempelt hat.

Und wie kann man die cocina mexicana umkrempeln?

Inzwischen haben viele Spitzenköche im Ausland gelernt und bieten jetzt eine Neuinterpretation der traditionellen Küche an. Jenseits von Chile und Mole, Reis und Bohnen. Auf dem Festival Madrid Fusión hat Ferran Adrià gesagt, dass die Küche der Zukunft in Lateinamerika liegt. Ich glaube felsenfest daran.

Infos: www.casaoaxaca.com www.casaoaxacaelrestaurante.com