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Archiv-Artikel

HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD Die mit dem langen Namen

Heiner Geißler, Angela Merkel: Alle wollen sie nur die Eine. Was ist dran an der Finanzmarkttransaktionssteuer?

Attac und der Sparkassenverband lieben dieselbe.

Sven Giegold liebte sie schon damals im Oktober 2001, als ich erstmals den Begriff „Tobin Tax“ hörte. Giegold erklärte beim Attac-Kongress in der Technischen Universität in Berlin, was es mit Tobins Finanzmarkttransaktionssteuer auf sich hat und warum sich die Linken bei Attac für die Idee eines liberalen amerikanischen Professors begeistern konnten. Ich fand die Präsentation faszinierend, weil schon damals offenkundig war, dass ein guter Teil der internationalen Börsengeschäfte nicht unbedingt der gesellschaftlichen Wohlfahrt diente. Der ehemalige US-Notenbankchef Paul Volcker hat die Skepsis gegenüber jener Marktentwicklung am schönsten auf den Punkt gebracht, als er sagte, die einzige sinnvolle Innovation der Finanzindustrie der vergangenen dreißig Jahre sei der Geldautomat.

Skepsis war aber 2001 nicht en vogue. Die Finanzmärkte hatten dank Dotcom-Blase einen ersten Dämpfer erhalten, aber die Idee, dass die Märkte das alles von selbst regeln, beherrschte die gesellschaftliche Debatte noch lang. 2005 etwa legte sich die große Koalition aus Union und SPD auf eine weitere Liberalisierung der Finanzmärkte und eine Stärkung der Verbriefungsmärkte fest: Schrottkredite zu AAA-Wertpapieren. Seit 2007 wuchs die Skepsis gegenüber den Märkten, zugleich nahm die Zahl der Fans der Tobin-Steuer rapide zu. Erst Attac, dann Heiner Geißler, dann die Kanzlerin, mittlerweile sogar der Sparkassenverband.

Diese Woche nun hat sich die EU-Kommission des konservativen Kommissionschefs Manuel Barroso die Finanzmarkttransaktionssteuer auf die Fahnen geschrieben. Giegold sitzt inzwischen für die Grünen im Europa-Parlament und die „Tagesschau“ berichtet wohlwollend über die Steuer und den Widerstand verbliebener Gegner in den Großbanken.

Jetzt fragen Sie sich vielleicht, was diese Finanzmarktfrage in einer Verbraucherkolumne sucht. Ganz einfach: Die Politik sorgt schon für eine Beschäftigung der Verbraucherschützer. 2010 hat sich die Bundesregierung noch intern gestritten, ob man denn für die Steuer sein darf. Journalisten der ARD riefen bei Finanztest an – ob es stimme, dass die Steuer besonders die Verbraucher treffe und die private Altersvorsorge schädige? Ich antwortete damals sinngemäß „So’n Quatsch, wer sagt denn so was?“ Einige Abende später sagte der damalige Bundeswirtschaftsminister Reiner Brüderle genau dies bei Anne Will, und mein Kommentar wurde dagegen geschnitten.

Das ist Geschichte. Der eigentliche Streit tobt heute nur noch in der Finanzbranche. Eine Finanzmarkttransaktionssteuer von 0,1 Prozent auf Aktien und 0,01 Prozent auf Derivate juckt den Verbraucher nicht. Der bezahlt heute bei seinen Transaktionen einige Prozente Provision, wenn er Fonds kauft oder sich an Derivaten, also Finanzmarktwetten, versucht. Schmerzhaft ist eine solche Steuer nur für diejenigen, die täglich das ganz große Rad drehen. Die Deutsche Bank soll als weltweiter Marktführer auf den Devisenmärkten dort täglich Geschäfte im Volumen von rund 600 Milliarden Dollar machen. Ein Prozent davon wären 6 Milliarden Dollar, 0,1 Prozent wären 600 Millionen und 0,01 Prozent wären immerhin 60 Millionen Dollar am Tag. Kein Wunder also, dass die Deutsche Bank und mit ihr der Bankenverband der Idee der Finanzmarkttransaktionssteuer auch heute noch nichts abgewinnen können.

Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest Foto: Karsten Thielker